Wien - Dass die Jungen die Alten morden wollen, ist nichts Neues - das gab es bei den antiken Griechen, das wurde von den Doors zu einer ödipalen Hymne verarbeitet, das kann durchaus ein Königsdrama werden. Der König muss sterben, damit der König leben kann.

So ähnlich ist die Lage in Anna Polonis Carambolage oder Der schwarze Punkt, das im Salon5 im Nestroyhof unter der Regie von Anna Maria Krassnigg uraufgeführt wurde. Im Zentrum der Macht steht hier eine Königin: Dornstrauch, Leiterin eines Medienimperiums und von Isabella Wolf wunderbar verknöchert und mit Angela-Merkel-mäßigen Hänge-Mundwinkeln gespielt.

Gefährdet wird ihre Macht durch das eigene Fleisch und Blut: Sohn Enrique (Raphael von Bargen) füllt diverse soziale Kanäle mit Spott, Häme und der eigenen Selbstbezogenheit - und lässt sich vom Vorzeige-Angestellten der Mutter, dem Journalisten Brand (changierend zwischen rechtschaffen und Streber: Murali Perumal), auch noch medienwirksam als "Gossenprinz" bei halbseidenen Aktionen ertappen. Enrique will die alten Machtstrukturen überwinden - inklusive seiner Mutter. Von Bargen spielt ihn so brutal überzogen als exaltiertes Bürschchen mit lackierten Fingernägeln und Lidschatten, dass für die anderen Figuren kaum mehr Platz zu sein scheint.

Dabei gibt es da noch den Nachtclubbesitzer Don Gian: Martin Schwanda im goldgemusterten Hemd und mit Zuhälterbart als König der Unterwelt. Und Sekretärin Engel, die zugleich die Hure Angie ist (Petra Staduan) und tatsächlich so etwas wie einen Engel, eine rettende überirdische Macht verkörpern soll.

Tatsächlich aber macht dieser Engel zumeist nur große Augen und trägt seufzend Plattitüden über eine die Menschen korrumpierende Arbeits- und allgemein immer härter werdende Welt vor. So eine Neoliberalismuskritik geht natürlich immer runter wie Butter - nur ist das bloße Herunterbeten ein bisschen wenig.

Was tun?

Mehr Sinn ergibt die Figur des Engels schon, wenn sie anfängt zu singen (Musik: Christian Mair). "Das ist unsere einzige Sprache", sagt sie einmal zu Enrique. Warum das so ist, wohin das führen könnte, darüber hätte man gerne noch mehr gewusst. Immerhin lautet das Spielplanmotto im Nestroyhof "Was tun?". Doch die Inszenierung Anna Maria Krassniggs gibt keine klare Antwort. Sie zeigt die modernen gesellschaftlichen Gravitationsfelder, die Zentrale des Medienhauses wie den Amüsierbetrieb, in Form eines hellen Tresens, der Schreibtisch ebenso wie Bar ist (Bühne: Lydia Hofmann). Die kühle Anmutung entspricht der Kälte der gezeig- ten Verhältnisse. Wohin die Gesellschafts- und Medienkritik im Stück aber, wohin der darin erzählte Umbruch, die Übernahme der Macht durch die Jungen führen sollen, das wird hier nie ganz deutlich.

So ist der Abend zwar ein unterhaltsamer und streckenweise auch witziger - er findet aber keine zwingende Form für das Revolutionsmotiv des Stückes. (Andrea Heinz, DER STANDARD, 3.10.2014)