Wojo van Brouwer, Pascal Groß, Michael Scherff und Moritz Vierboom (v. li.) als Zeitzeugen des K.-u.-k.-Untergangs.

Foto: Alexi Pelekanos

St. Pölten - Der Kaiser ist alt und müde und lehnt in Philipp Hauß' Inszenierung am Landestheater Niederösterreich nur mehr als Pappfigur an der Bühnenrückwand. Blass blickt das überdimensionale Kartonbild auf seine Untertanen und ins Publikum.

Auch sonst ist diese aus billigen Pressspanbrettern gezimmerte Monarchie in Joseph Roths Radetzkymarsch eine brüchige Angelegenheit. Auf einer mittig platzierten Holzschräge sind die Soldatenschritte jederzeit der Abrutschgefahr ausgesetzt. Wie überlebensnotwendig sind da Haltung und Disziplin - sie sind der letzte noch haftende Kleister der auseinanderfallenden K.-u.-k.-Puzzleteile.

Baron Franz von Trotta (Michael Scherff) ist als hoher Beamter ihr ergebenster Diener, und doch trägt auch er schon den wirr gewachsenen Wuschelkopf eines womöglich gar nicht mehr Lebenden. Wie sehr die hier handelnden Personen von ihrer Zukunft schon eingeholt wurden, liest man ihren Gesichtern ab: Philipp Hauß erzählt den Untergang der Monarchie als Zusammenrottung von Zombies. Mit weiß gepuderten Stirnen und tiefen Augenringen wandeln sie Untoten gleich über den künstlichen Monarchie-Hügel (Bühne: Martin Schepers).

Leutnant Joseph Trotta hatte einst dem Kaiser in der Schlacht von Solferino das Leben gerettet. Die slowenische Bauernfamilie aus Sipolje wurde daraufhin in den Adelsstand erhoben. Enkel Carl Joseph von Trotta (schön fiebrig: Wojo van Brouwer) soll das heldenhafte Erbe der Familie weitertragen und dient im Regiment.

Parallel dazu erzählt Philipp Hauß in seiner St. Pöltner Fassung - Radetzkymarsch und Die Rebellion - von der Geschichte des Andreas Pum, der als Kriegsinvalide unter die Räder des menschenverachtenden Beamtenapparats gerät (harsch: Tobias Voigt als Polizist) und zieht damit eine Zeitspur ins Heute - auch in den Kostümen von Lane Schäfer deutlich gemacht: Dazu gehören Poloshirts, pinke Camouflage-Meggings und andere dekadent enge Hosen.

Mit der Weltuntergangsschminke ist die Grundidee des Morbiden aber gleich von Beginn an gezündet und offenbart in weiterer Folge kaum noch erzählerische Tiefe. Zudem war es (auch aus akustischen Gründen) wenig ratsam, das Bühnengeschehen so weit im Inneren der Guckkastenbühne anzusiedeln. Es rückt zu weit vom Publikum weg. Auch das Stammtischfinale mit Volksmusik geriet allzu platt.

Ein paar schöne Szenen gab es dennoch, etwa die von der Fatalität des Zeitalters kündende Verführungsszene mit Myriam Schröder (als Valerie von Taußig) oder den durchgeknallten Tanz des Hauptmanns (Moritz Vierboom) auf der Gymnastikkugel, die eine Roulettekugel genauso sein konnte wie eine aus dem Gewehr. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 17.10.2014)