Alexander Van der Bellen ist Uni-Beauftrager der Stadt Wien. Ob er Präsident werden will, sagt er noch nicht.

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STANDARD: Am Anfang Ihrer Tätigkeit als Uni-Beauftragter waren Sie Klagemauer für Unis und Forschungsstellen. Konnten Sie die Klagen schon verringern?

Van der Bellen: Es war nicht so arg, wie ich befürchtet hatte. Meinem Büro und mir ist gelungen, das wechselseitige Verhältnis zwischen Stadt und Hochschulen zu verbessern. Ein Motiv meiner Tätigkeit ist ja, das Image der Stadt Wien zu verändern, hin zur Stadt des Wissens und der Forschung. Inzwischen hat es sich im Rathaus herumgesprochen, dass Wien die Studentenstadt Europas ist. Mit zehn Prozent der Bevölkerung weist Wien eine unerhörte Dichte an Studierenden auf. Eine von mir beauftragte Studie hat zu dieser Bewusstseinsänderung den Anstoß gegeben.

STANDARD: Eines der Hauptprobleme der Unis ist die mangelnde Finanzierung. Sie als Uni-Beauftragter können nur appellieren. Frustriert Sie das?

Van der Bellen: Ja, aber das liegt in der Natur der Sache. Wir sind eine Stabsstelle. Wir haben ein Jahresbudget von 210.000 Euro. Damit kann man arbeiten, Studien beauftragen und die Brötchen bei einem Meeting bezahlen. Das ändert natürlich nichts an der Gesamtfinanzierung von Fachhochschulen und Universitäten. Wien sollte hier auf Dauer mehr investieren, im eigenen Interesse. Eine Studie hat gezeigt, dass die Universitäten in Wien drei Milliarden zur Wertschöpfung beitragen.

STANDARD: Wenn der Bund verantwortlich ist, wie sinnvoll ist dann das Amt?

Van der Bellen: Diese Frage greift zu kurz. Ich gebe zu, nicht jede Stunde ist angenehm und manchmal ist man zutiefst frustriert. Aber wo ist das anders? Das ist kein Spezifikum meiner Rolle. Die rot-grüne Stadt Wien will bessere Beziehungen zu den Universitäten. Die ÖVP sagt im Gemeinderat, ich könne diese Aufgabe auch als einfacher Gemeinderat wahrnehmen. Da kann ich nur sagen: Die sind nicht ganz dicht. Wenn ich etwa wie kürzlich ein Treffen zu Chancen der Photonik in Wien organisiere, stelle ich eine Location und Getränke zur Verfügung. Das kostet etwas. Wie finanziert das ein Gemeinderat? Ich könnte dann zu Empfängen gehen, aber mehr nicht.

STANDARD: Uni-Wien-Rektor Heinz Engl hat sich zuversichtlich gezeigt, dass die Aufstockung der Uni-Budgets auf zwei Prozent umgesetzt wird. Glauben Sie auch daran?

Van der Bellen: Der Optimismus von Rektor Engl in Ehren, aber ich glaube der Regierung kein Wort. Als Ziel wurde das Jahr 2020 genannt. Dafür bräuchte man einen Budgetpfad. Wir halten derzeit bei 1,4 Prozent des BIP. Eine Lücke von 0,6 Prozent klingt nach nicht viel, aber das sind heute rund 1,8 Milliarden jährlich zusätzlich. Davon sind wir meilenwert entfernt.

STANDARD: Müssten die Rektoren fordernder sein?

Van der Bellen: Sie haben die Budgetsteigerungen über Jahre gefordert. Die Bevölkerung hat wahrgenommen, dass wir ein ernstes Problem haben. Beim Zwei-Prozent-Ziel bin ich inzwischen zum Zyniker geworden. Es gibt dazu einstimmige Beschlüsse der Bundesregierung und des Parlaments.

STANDARD: Anscheinend ist das Geld nicht da.

Van der Bellen: Ach was, für die Hypo Alpe Adria ist es auch da.

STANDARD: Das sind also nur Lippenbekenntnisse, und die Regierung beabsichtigt gar nicht, zwei Prozent des BIP zu investieren?

Van der Bellen: Offensichtlich. Es heißt ja auch immer, dass die zwei Prozent nicht nur vom Staat kommen müssen. Das stimmt, aber wo soll es sonst herkommen? Ich begrüße die Initiative von Staatssekretär Harald Mahrer, der Änderungen beim Stiftungsrecht vorschlägt. Es ist absurd, wie Spenden derzeit geradezu verhindert werden. Für die eine oder andere Institution kann das eine große Rolle spielen. Aber in Summe reden wir hier von maximal 100 Millionen.

STANDARD: Eines Ihrer Anliegen ist die Förderung der Internationalität. Was konnten Sie erreichen?

Van der Bellen: Das Fremdenrecht des Bundes ist ein echtes Handicap. Angehörige von Drittstaaten bekommen mitunter schon in den Botschaften falsche Auskünfte. Wenn die Studenten dann da sind, sind sie mit einer extrem restriktiven Rechtslage konfrontiert.

STANDARD: Welche Regelungen wollen Sie?

Van der Bellen: Man müsste die deutschen Regelungen kopieren. Wenn wir schon kaum Studiengebühren haben und den ausländischen Studierenden das Studium finanzieren, dann müssen wir wenigstens dafür sorgen, dass sie im Land bleiben können. Dafür reicht in Deutschland der Bachelor, in Österreich muss man für die Rot-Weiß-Rot-Card einen Masterabschluss haben. In Österreich muss ein Mindesteinkommen erzielt werden, in Deutschland nicht. Das Einzige, was die Deutschen erwarten, ist, dass für den Job üblicherweise ein Studium notwendig ist. In Deutschland haben die Absolventen 18 Monate Zeit, um sich einen Job zu suchen, in Österreich zwölf. Während der Jobsuche dürfen sie in Deutschland arbeiten, was sie wollen. Bei uns ist das extrem eingeschränkt. Ich finde diese Situation pervers.

STANDARD: Bei der Rot-Weiß-Rot-Card geht es um Hochqualifizierte. Braucht man da nicht bestimmte Vorgaben?

Van der Bellen: Für einen Psychologie-Absolventen ist es zum Berufseinstieg nicht so leicht, auf der Stelle 2.500 Euro zu verdienen.

STANDARD: Sie haben sich gewünscht, dass die Stationen der Wiener Linien nach den Universitäten benannt werden. Wann kommt das?

Van der Bellen: Dazu hatten wir langwierige Verhandlungen mit den Wiener Linien. So weit sind wir noch nicht gekommen. Ich verstehe aber auch deren Sicht. Es ist schwierig, die Beschriftungen in allen U-Bahnen und Stationen zu ändern. Auf den Umgebungsplänen in den U-Bahn-Stationen und auf der App Qando der Wiener Linien wird es zu Standorten von Hochschulen ein Piktogramm geben.

STANDARD: Nächstes Jahr ist Wien-Wahl. Wird der Wettbewerb mit den Neos schwierig?

Van der Bellen: Bisher haben sie alle Anfängerfehler gemacht, die man machen kann. Man soll nicht ausgerechnet in Vorarlberg die Wohnbauförderung infrage stellen. Die dortige Förderung war jahrelang vorbildlich, im Bereich Energiesparen waren die Jahre voraus. Ein Problem bei der Wien-Wahl wird eher die ÖVP haben.

STANDARD: Solche Ausrutscher wie jene der Neos in Vorarlberg passieren bei den Grünen kaum mehr. Die Kommunikation wird streng kontrolliert. Was halten Sie davon?

Van der Bellen: Durch den Einfluss von Martin Radjaby hat sich in der Kommunikation viel verändert. Man muss über Einzelfälle nicht begeistert sein, aber die Ergebnisse sprechen dafür. Mir war im Wahlkampf ein Lamm zu viel. Aber dass alle Landesorganisation der Grünen jetzt dieselbe Corporate Identity verwenden und dadurch der Wiedererkennungswert verzehnfacht wird, das ist ein Riesenfortschritt.

STANDARD: Es hat im EU-Wahlkampf das umstrittene Plakat von Ernst Strasser gegeben und ein buntes Heft für Jungwähler. Muss man populistisch sein, um Erfolg zu haben?

Van der Bellen: Das Plakat von Strasser war ein Fehlgriff, das haben nach einer Schrecksekunde alle begriffen. Bei Wahlen ist die Frage, an wen sich die Werbung richtet. Natürlich will man die Kernwähler nicht verschrecken, aber eine primäre Zielgruppe sind jene, die sich bisher noch nicht angesprochen gefühlt haben.

STANDARD: Werden Sie Ihrer Parteichefin den Wunsch erfüllen und Präsidentschaftskandidat werden?

Van der Bellen: Wir haben einen amtierenden Bundespräsidenten. Die Wahl ist im Mai 2016. Die Kandidatinnen und Kandidaten werden ein halbes Jahr davor nominiert. Ich sage frühestens in einem Jahr etwas dazu. (Lisa Kogelnik, DER STANDARD, 21.10.2014)