Ich komme in die Küche, und da läuft im Radio ein Schlager. Eine Art Liebeslied soll das wohl sein, gesungen von einem Er, adressiert an eine Sie. Die Refrainzeile: "Du machst mich zu einem besseren Mann".

Mich gruselt. Und zwar nicht so sehr, weil hier das alte Geschlechterarrangement abgefeiert wird, wonach Frauen in einer heterosexuellen Beziehung die Aufgabe haben, die Qualität des Mannes sicherzustellen. Es ist ja normal, dass der Mainstream bestehende Geschlechterarrangements bekräftigt, das ist sozusagen sein Job.

Das wirklich Gruselige an dieser Liedzeile ist, dass vermutlich vielen Frauen dieser Schlager gefällt. Weil viele sich gerne in dieser Rolle sehen: Den Mann zu einem besseren Mann zu machen. Das ist ein Teil der patriarchalen romantischen Liebeserzählung, und sie wird von Frauen genauso abgefeiert wie von Männern (nicht von allen natürlich).

Unterstützerinnen des Patriarchats

Später lese ich einen Artikel über die brutale Herrschaft des "Islamischen Staats", in dem steht, dass es dort Frauen sind, die die Aufgabe übernehmen, andere Frauen zu disziplinieren. Das ist ja kaum zu glauben, denn noch frauenverachtender als beim IS kann ein Patriarchat doch gar nicht aussehen.

Es ist aber die traurige Wahrheit: Das Patriarchat ist nie einfach die Herrschaft von Männern über Frauen. Sondern überall dort, wo es existiert, kann es auf die Unterstützung von Frauen zählen. Viele Frauen akzeptieren die ihnen zugewiesene Rolle einer Existenz zweiter Ordnung. Einer Existenz, die vom Mann abgeleitet ist. Sie akzeptieren die ihnen zugewiesenen Aufgaben, mehr noch, sie machen sie sich zu Eigen. Und: Sie sind es, die diese Ordnung anderen Frauen gegenüber vertreten, oft unbarmherzig.

Frauen sind nicht von Natur aus Feministinnen, sie müssen es werden, in einem bewussten Akt der Entscheidung, die alte symbolische Ordnung der Vorherrschaft des Männlichen nicht mehr zu akzeptieren. Ob es wahrscheinlicher ist, dass eine Frau diese Entscheidung trifft als ein Mann? Vielleicht, weil der Leidensdruck höher ist, weil sie mehr zu gewinnen hat. Vielleicht aber auch nicht, weil auch der Preis höher ist, den sie bezahlt. Eine Frau hat oft auch mehr zu verlieren.

Bewusst feministisch

Dass es beim Feminismus nicht um einen Kampf von Frauen gegen Männer geht, wird oft gesagt, aber diese Aussage ist zwiespältig. Einerseits ist es natürlich auf eine banale Weise wahr. Trotzdem habe ich dabei ein leichtes Unbehagen, weil dieses "Es geht nicht gegen Männer" leicht so verstanden werden kann, als sollten wir unsere Radikalität im Zaum halten, um die Männer nicht vor den Kopf zu stoßen, sie einzubeziehen, sie "abzuholen".

Aber das ist nicht der Punkt. Beim Feminismus geht es aus einem viel schlichteren Grund nicht um einen Kampf von Frauen gegen Männer: Weil viele Frauen einen solchen Kampf gar nicht kämpfen, sondern sich mit dem Bestehenden arrangieren oder es sogar gut finden. Oder weil sie schlicht noch gar nicht auf die Idee gekommen sind, dass sie es überhaupt in Frage stellen könnten. Weil sie, die ja genauso wie die Männer in der herkömmlichen symbolischen Ordnung aufgewachsen und sozialisiert worden sind, vielleicht zwar ein diffuses Unbehagen verspüren, aber dafür bisher keinen politischen Ausdruck gefunden haben.

Leben zweiter Ordnung

Feminismus ist die Weigerung, eine gesellschaftliche und kulturelle Ordnung anzuerkennen, die Frauen als vom Mann abgeleitete Wesen versteht. Als Wesen, die nicht ihre eigenen Ziele verfolgen, sondern sozusagen nur über Bande mitspielen: Die die Welt verbessern, indem sie die Männer verbessern, die sich in der Welt behaupten, indem sie Männer imitieren, oder die die Gesetze der Männer anderen Frauen gegenüber exekutieren.

Eine Feministin erkennt man nicht an den Inhalten ihrer politischen Forderungen und Ansichten, sondern daran, ob sie aufgehört hat, ihr eigenes Leben (und das Leben anderer Frauen) als eines zweiter Ordnung zu verstehen. Daran, ob sie direkt in der Welt wirken möchte, oder ob sie Männer verbessern möchte, in der Hoffnung, dass die es dann regeln. Daran, ob sie ihre eigenen Gesetze aufstellt und ihnen entsprechend lebt, oder ob sie die Gesetze der Männer exekutiert, speziell anderen Frauen gegenüber.

Ja, und auch Männer können feministisch sein. Solche Männer erkennt man daran, dass sie sich vorzugsweise in der Gesellschaft von Feministinnen bewegen. Weil sie Frauen als souveränes Gegenüber schätzen und nicht als Spiegel ihres Selbst. (Antje Schrupp, dieStandard.at, 23.10.2014)