Graz - Bei kaum einer Oper ist der Interpretationsspielraum so eng wie für Tosca. Die Schauplätze, die dramaturgische Geschlossenheit, die geradezu kanonisierten Geste: ein unvoreingenommener Blick ist kaum möglich. Regisseur Alexander Schulin und Bühnenbildner Alfred Peter spielen daher auch mit den Erwartungen eines informierten Publikums, sie zitieren und verfremden in einem und deuten gleichzeitig das Stück als unausweichliche Tragödie im Sinne des klassischen Dramas.

Das gelingt über weite Strecken durch beeindruckende Raum- und Lichtkonzepte, zeigt aber auch Brüche (oder zu wenig Mut?). Sant'Andrea della Valle, Schauplatz des ersten Akts, wird durch eine markante Kuppel und ein (umgedeutetes) Schriftband symbolisiert, während die Kapelle wohl eher ein Keller sein dürfte. In starkem Kontrast zur goldenen Raumimpression der Kirche steht Scarpias Verhörzimmer im Palazzo. Bedrückend eng verstärkt es den Eindruck der Falle, die für Tosca zuschnappt.

Sehr attraktiv in Bettina Walters historisierenden Kostümen betont Sopranistin Andrea Danková mit großer, fokussierter Stimme die leidenschaftliche Seite der Floria Tosca. Selbstbewusst und temperamentvoll ist diese Frau, die barfuß in die Kirche kommt. Was ihr Geliebter Cavaradossi als Maler künstlerisch in der Kirche vorhat, wird nicht wirklich klar, aber stimmlich gelingt Demos Flemotomos, der über einen kräftigen, heldisch timbrierten Tenor verfügt, ein eindrucksvolles Rollendebüt. Mit hinreißender Bühnenpräsenz macht Bassist (!) Wilfried Zelinka die Spannung zwischen Scarpia und Tosca als dramatische Energie des Stücks deutlich.

Am Pult des Grazer Philharmonischen Orchesters atmet Dirk Kaftan mit den Sängern, kostet Puccinis Melodienfluss aus, baut eine feine, organische Struktur auf, ohne auf drängende und dramatische Bögen zu verzichten. Ein in den Bann gezogenes Publikum dankt mit viel Applaus. (Beate Frakele-Baron, DER STANDARD, 24.10.2014)