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Die ÖVP hat im vergangenen Nationalratswahlkampf die Grenze von sieben Millionen Euro um 4,2 Millionen Euro überschritten, die SPÖ überzog um 300.000 Euro.

Foto: APA/Schlager

Wien - Rechnungshofpräsident Josef Moser plädiert für Nachbesserungen beim Parteiengesetz. Die von den Parteien gemeldeten Wahlkampfkosten sind aus seiner Sicht weder ausreichend transparent noch vergleichbar. Außerdem kritisierte Moser am Dienstag im Gespräch mit der APA neuerlich die fehlende Kontrollmöglichkeit des Rechnungshofs bei den Parteifinanzen - und zwar nicht nur bei den Wahlkampfkosten. Die aktuellen Prüfmöglichkeiten seien ein "untragbarer Zustand", sagte Moser im Ö1-"Mittagsjournal".

Kein Einblick möglich

SPÖ und ÖVP hatten am Montag gemeldet, mehr für den Wahlkampf ausgegeben zu haben, als erlaubt. Laut dem 2012 beschlossenen Parteiengesetz muss der Rechnungshof die Rechenschaftsberichte der Parteien inklusive Abrechnung der Wahlkampfkosten überprüfen und veröffentlichen. Eine inhaltliche Prüfung ist dem Rechnungshof aber nicht möglich, weil er keinen Einblick in die Finanzen der Parteien erhält. "Wenn ich Rechnungshof draufschreibe, dann muss ich dem Rechnungshof die Möglichkeit und die Ressourcen geben, dass er das prüft", fordert Moser.

Broschüren vor Stichtag produziert

Derzeit seien Transparenz und Vergleichbarkeit jedenfalls nicht gegeben, kritisiert Moser. So lasse das Gesetz den Parteien und ihren Wirtschaftsprüfern bei den Wahlkampfkosten-Abrechnungen "breiten Auslegungsspielraum". Als Beispiel nennt er Wahlkampfbroschüren, die vor dem Stichtag für die Wahlkampfkostenbegrenzung (9. Juli) produziert und bezahlt, aber erst danach verteilt wurden. Hier sei unklar, ob nur die Kosten für die Verteilung zu den Wahlkampfausgaben zählen oder auch die Produktion der Folder.

Unklar ist demnach auch, ob und wie die Wahlkampfausgaben der Vorfeldorganisationen berücksichtigt werden müssen. Gänzlich offen lässt das Gesetz außerdem, ob auch die Ausgaben für Meinungsumfragen zu den Wahlkampfkosten zählen. Hier wäre aus Mosers Sicht eine deutlichere Abgrenzung im Gesetz nötig. Denn der Rechnungshof könne das Zustandekommen der von den Parteien genannten Zahlen mangels Einsicht in deren Finanzen nicht prüfen. Er könne lediglich - auf eigene Kosten - einen weiteren Wirtschaftsprüfer mit der Einschau betrauen.

Die mangelnde Kontrollmöglichkeit des Rechnungshofs beschränkt sich laut Moser allerdings nicht nur auf die Wahlkampfkosten, sondern gilt für die gesamten Rechenschaftsberichte der Parteien. Moser plädiert daher dafür, das Gesetz nachzubessern: "Die Idee, die dahintersteckt, ist eine sehr, sehr gute. Es war ein wesentlicher Schritt nach vorne, aber was Transparenz, Rechenschaftspflicht und Einbindung des Rechnungshof betrifft, ist Nachbesserungsbedarf gegeben."

Kritik auch von Fiedler

Auch der ehemalige Rechnungshof-Präsident, Franz Fiedler, hat die derzeitigen Transparenzregeln kritisiert. "Der Rechnungshof muss die Angaben in der Weise überprüfen, dass er in die Kassen der Parteien Einblick nehmen kann", so Fiedler im Ö1-"Morgenjournal". "Das halte ich für einen schweren Mangel, der zu beheben ist."

Differenz

Die ÖVP hat im vergangenen Nationalratswahlkampf die Grenze von sieben Millionen Euro um 4,2 Millionen Euro überschritten, die SPÖ überzog um 300.000 Euro. "Die Differenz gibt Anlass zu Bedenken. Weil diese Differenz so groß ist, scheint eine Prüfung des Rechnungshofs so wichtig", sagt Fiedler. Eine Prüfung der Bücher durch Wirtschaftsprüfer - wie derzeit der Fall - sei nicht ausreichend. Derzeit kann der Rechnungshof nur die Angaben der Parteien im Rechenschaftsbericht prüfen.

Unabhängige Wirtschaftsprüfer

SP-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos ließ im Ö1-Morgenjournal ausrichten, die Wahlkampfkosten der SPÖ wurden von zwei unabhängigen Wirtschaftsprüfern geprüft. Wer diese unabhängigen Wirtschaftsprüfer sind, wollte die SPÖ auf Anfrage von derStandard.at nicht bekannt geben. Auch den entsprechenden Prüfbericht wollte man nicht zur Verfügung stellen. Dieser werde vorerst dem Rechnungshof übermittelt, hieß es weiter.

SP-Geschäftsführer Norbert Darabos versichert, bei der Wahlkampfkosten-Abrechnung alle Vorgaben eingehalten zu haben. Natürlich habe es Diskussionen gegeben, ob gewisse Dinge einzurechnen sind oder nicht, so Darabos. Aber: "Wir haben uns das nicht im stillen Kämmerlein ausgemacht." Zwei vom Rechnungshof namhaft gemachte Wirtschaftsprüfer hätten das "für richtig und gut befunden".

Laut Darabos hat die SPÖ beispielsweise Meinungsumfragen nicht in die Wahlkampfkosten eingerechnet. "Das ist vom Gesetz her so normiert", so der SP-Geschäftsführer. Das selbe gilt auch für die schon im Juni gestartete erste Plakatwelle der SPÖ: "Was vorher plakatiert ist, ist nicht einzurechnen", betonte Darabos.

Darabos will Gesetz überarbeiten lassen

"Wir haben alles angerechnet, was gesetzlich anzurechnen ist", versicherte Darabos. Warum die ÖVP um vier Mio. Euro über der SPÖ liegt, will er nicht beurteilen. "Was die ÖVP abgerechnet hat, weiß ich nicht."

Darabos betont, für Inserate, Plakate und Ähnliches unter fünf Mio. Euro ausgegeben zu haben, inklusive aller anderen Kosten 7,3 Mio. Euro. Dass das Marktforschungsunternehmen Focus nach der Wahl allein für Inserate, Plakate und sonstige Werbung auf 7,1 Mio. Euro gekommen sei, liege an den dort nicht berücksichtigten Rabatten.

Nun plädiert der SP-Geschäftsführer für eine Überarbeitung des Gesetzes. "Es gibt sicher den Bedarf, das zu evaluieren", betonte Darabos: "Es bringt niemandem was, wenn es Streitereien gibt."

Regierung will Empfehlungen des Rechnungshofes abwarten

Die Regierungsspitze will nun auf Empfehlungen des Rechnungshofs in Sachen Wahlkampfkosten warten, wie sie am Dienstag nach dem Ministerrat mitteilte.

Von gegenseitigen Anwürfen sahen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Dienstag ab, wenn auch letzterer zumindest indirekt in den Raum gestellt hatte, dass die SPÖ und andere Parteien wohl diverse Kosten über Klub und Vorfeldorganisationen gespielt hätten.

Faymann verwies grundsätzlich darauf, dass sich die SPÖ an den vorgegebenen "Ablauf" gehalten habe, was eine Überprüfung durch Wirtschaftsprüfer bedeute.

Auf die Frage, ob ihm die Kostendifferenz "nicht auch spanisch" vorkomme, sagte Faymann: "Erstens habe ich keine Einblick in die Finanzen der ÖVP. Zweitens habe ich einen Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter, der meinen Wahlkampf leitet". Für den nächsten Wahlkampf brauche man eine Systemänderung, die von Anfang an eine begleitende Kontrolle mit Steuerberater vorsieht. "Da braucht niemand auf den anderen zu deuten", sagte Faymann

"Da wird uns auch der Wirtschaftsprüfer nicht helfen, der vollzieht dann nur den Teil, den die Partei macht", hielt dem Mitterlehner allerdings entgegen. Er erhebe keinen "Vorwurf, dass illegal vorgegangen wurde", betonte er aber.

Einschau in die Bücher

"Ich habe nicht den Eindruck, dass andere Partner und Konkurrenten weniger geschaltet haben", erklärte Mitterlehner im Rückblick auf die allgegenwärtigen Materialschlachten im Sommer/Herbst 2013.

Laut dem Marktforschungsinstitut Focus Research hat die Kanzlerpartei in den Wahlkampfmonaten Juli bis September allein für Plakate, Inserate und Werbespots deutlich mehr ausgegeben als die Volkspartei. Und unter die gesetzliche Wahlkampfkostengrenze fallen noch andere Ausgabenposten wie zusätzliches Personal oder Postwurfsendungen.

Mitterlehner sieht eine grundsätzliche "Systemfrage", nämlich: "Wie ist das abgewickelt worden." Daher gehe es ihm nun auch nicht primär um eine "Einschau" durch den Rechnungshof in die Partei-Bücher, sondern um die Frage, welche Aktivitäten wie darzustellen seien.

Damit kann Faymann leben. Denn auch er blickte auf den Wahlkampf 2013 zurück und erinnerte an den Wirbel um ein SPÖ-Wahlplakat, das von SPÖ-Klub im Parlament bezahlt werden sollte. Bei einem FPÖ-Plakat mit dem Konterfei von Partei- und Klubobmann Heinz-Christian Strache dagegen sei das in Ordnung gewesen. "Da gibt es eine Reihe von Regelungen, die zu diskutieren sein werden, wenn der Rechnungshof dann zu einer Meinung gekommen ist".

Hundstorfer: "Weiß nicht, wo Fiedler seine Weisheiten herhat"

Einhellig gegen eine direkte Prüfung durch den Rechnungshof sprachen sich vor dem Ministerrat SPÖ-Regierungsmitglieder aus. Infrastrukturminister Alois Stöger sah keinen Unterschied darin, ob ein Wirtschaftsprüfer oder der RH direkt Einblick in die Wahlkampfkostenabrechnungen der Parteien nimmt.

Ähnlich sah das Sozialminister Rudolf Hundstorfer, er zog die davon erhoffte Qualitätsverbesserung in Zweifel. Nicht erfreut zeigte er sich auch zu den Bedenken Fiedlers an den von der SPÖ deklarierten Zahlen. "Ich weiß nicht, wo der Herr Fiedler immer seine Weisheiten herhat", meinte er.

Grüne fordern "ordentliche Prüfung"

Die Grünen fordern eine "ordentliche Prüfung" der Parteien durch den Rechnungshof. "Ohne konkrete Rechnungshofprüfung kann man sich den Rechnungshof als 'Plausibilitätsinstanz' sparen", kritisierte Gabriele Moser, Vorsitzende des Rechnungshofausschusses, in einer Aussendung. Die von der SPÖ genannten 7,3 Millionen Euro Wahlkampfkosten hält der Abgeordnete Dieter Brosz für "völlig unglaubwürdig".