Wien - Darf Florentina Holzinger, 28, Wiener Choreografin, Tänzerin und bekennendes Bühnenunfall-Opfer, so etwas? Bei Impulstanz diesen Sommer ein Stück unter dem Titel Agon uraufführen und jetzt dieselbe Arbeit mit neuem Anfang und einigen kleineren Korrekturen unter dem Titel Recovery als neues Werk und "österreichische Erstaufführung" im Brut-Theater präsentieren?

Ein Fall von Etikettenschwindel, so viel scheint festzustehen. Doch das ist noch keine Antwort auf die Frage, ob so ein Schwindel auch legitim sein kann. Holzinger hätte die korrigierte Version ja auch etwa unter dem Titel "Agon Redone" auf die Bühne bringen können. Aber das wäre natürlich nur halb so lustig gewesen. Denn das Publikum durfte sich nun vorstellen, dass die Choreografin ihren neuen Titel gar nicht auf sich und damit ihre Rekonvaleszenz nach dem Unfall im Vorjahr bezieht. Sondern auf ihren bei Impulstanz ebenfalls verunfallten Agon. Dann wäre auch wahr, was im Abendprogramm steht: ",Recovery' basiert inhaltlich auf diesem Stück."

So hätte Holzinger, die sich gern als "Trickster" bekennt, einen schönen Seitenhieb auf die Premierenfixiertheit des Tanzmarkts gelandet. Außerdem ist es ihr tatsächlich gelungen, ihren Agon zu sanieren. Zum Beispiel mit dem neuen Anfang, in dem Holzinger als schöne Leich' im Sarg liegt, aus dem sie bald wie von der Tarantel gestochen herausspringt, um durch eine Seitentür aus dem Theater zu flüchten.

Recovery punktet auch im Weiteren mit einem trashigen Witz, der darin gipfelt, dass die Figur einer Ballerina in die Rolle einer Zahnärztin schlüpft. Denn seit ihrem Unfall hat Holzinger eine Zahnlücke. Um's mit Cissy Kraner und Hugo Wiener auszudrücken: Jetzt wünscht sie sich zum Geburtstag einen Vorderzahn. Mag der dann auch ein falscher sein, mit Recovery hat sie ihn sich verdient. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 31.10./1./2.11.2014)