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Die Uni Wien gründete 2001 die erste universitäre Beratungsstelle bei sexueller Belästigung und Mobbing.

dpa/Rainer Jensen

Er habe viel zu tun, darum könne er ihr nur einen "Quickie" anbieten, schrieb Sara Felders (Name geändert) Professor in seiner E-Mail. Am Institut wolle er sich nicht treffen – ein Café sei besser. "Am Anfang habe ich mich zwar gewundert, aber es waren ja auch andere Studierende dort", erzählt die Studentin. Mit der Zeit war sie aber immer öfter mit dem Betreuer ihrer Masterarbeit allein im Lokal und fühlte sich zunehmend unwohl.

"Irgendwann kam diese E-Mail – ich hätte mich übergeben können", erinnert sie sich. Sie zeigte sie Freunden, fragte, ob sie übertreiben würde. Und ging weiter zu Arbeitstreffen im Kaffeehaus. "Ich war so distanziert wie nur möglich", sagt Felder. In seinen Seminaren hatte sie das Gefühl, dass er ihre Nähe suche, er trug nicht vom Pult vor, stand meist neben ihr, wenn er unterrichtete. Was folgte, waren Einladungen zum Essen, ins Theater, zu Veranstaltungen. Als "seine Begleitung". Nach Besprechungen der Masterarbeit gab es das Angebot, sie noch "irgendwohin" begleiten zu können.

"Ich lehnte immer ab, er wirkte dadurch recht verärgert", sagt sie. Die 25-Jährige suchte lange den Fehler bei sich. Ob sie etwas gesagt haben könnte, das ihm das Gefühl vermitteln könnte, sie würde mit ihm ausgehen wollen. "Ich habe mir sogar überlegt, ob ich etwas Aufreizendes anhatte, aber das mache ich nicht einmal beim Fortgehen", erzählt sie in Schlabbershirt und Jogginghosen.

Nachdem Felder über ein Jahr an ihrer Masterarbeit geschrieben und die wiederholte Anmache ihres Betreuers abgelehnt hatte, lehnte er schließlich auch sie ab. Er wollte ihre Arbeit nicht mehr betreuen. "Danach habe ich mir eine Professorin gesucht", sagt sie.

"Er ist ein Professor ..."

"Ich war im Stress, eine neue Betreuerin zu finden, und gleichzeitig beruhigt", sagt die Wienerin. Es war schwierig in diesem Abhängigkeitsverhältnis, schließlich wollte sie ihren Betreuer vor der Prüfung nicht zu sehr verärgern.

Ähnliche Fälle kennt auch Katharina Mader, sie ist Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen an der Wirtschaftsuni Wien (WU). Sexistisches Verhalten und sexuelle Belästigung fallen in ihren Aufgabenbereich. "Wir sind ein großer Arbeitsplatz und Ausbildungsort, der weder frei von Sexismus noch von patriarchalen Strukturen ist", sagt Mader. "Daher haben wir leider immer wieder Beschwerden von Mitarbeitern und Studierenden."

Der Arbeitskreis wird von den Studierenden nicht als für sie zuständige Stelle wahrgenommen, die "Dunkelziffer" sei daher wohl höher als die Zahl der Fälle, die an ihn gelangen würden.

"... und ich nur Studentin"

Auch Felder wollte sich nicht bei der Uni beschweren. "Er ist ein Professor und ich nur eine Studentin", sagt sie. Sie fürchtete sich vor Konsequenzen und davor, dass ihr nicht geglaubt würde.

Um sexueller Belästigung vorzubeugen, besitzen die WU und die Universität Wien einen "Code of Conduct", einen Verhaltenskodex, der bestimmt, wie Mitarbeiter der Universität mit Studierenden umgehen sollen. "Zwischen Lehrenden und Studierenden ist angemessene persönliche Distanz zu wahren", steht in jenem der WU unter dem eigens angeführten Punkt sexuelle Belästigung.

"Unser Kodex setzt früher an als das Strafgesetzbuch", sagt Mader. So wird "ungebührendes Verhalten" geahndet. Wenn sich der Verdacht erhärtet, leitet die WU ein Verfahren ein und stellt die Person frei. Es stelle sich teils aber auch heraus, dass es sich um ein Missverständnis handelt: "Beispielsweise bei Sprachproblemen, wenn sie nicht dieselbe Muttersprache haben", sagt sie.

Die Uni Wien gründete 2001 die erste universitäre Beratungsstelle bei sexueller Belästigung und Mobbing. Sie ist eine "Erstanlaufstelle für Betroffene", sagt Beraterin Helga Treichl. Ihre Gespräche sind "streng vertraulich". Die Beratungsstelle selbst hat keine Interventionsbefugnis. "Das weitere Vorgehen ist individuell und abhängig von der spezifischen Situation und den Anliegen der oder des Betroffenen", sagt Treichl.

Es brauche weitere Aufklärung darüber, was man sich nicht gefallen lassen muss: "Viele Frauen sind vieles gewohnt und beschweren sich nicht", sagt Mader, über Dinge, die sich sensibilisiertere Personen "nie gefallen lassen würden". Auch dass es "nicht mit Schande behaftet ist und man keine Angst haben muss, sich zu wehren", müsse bewusst gemacht werden. (Oona Kroisleitner, DER STANDARD, 20.11.2014)