Wien - Familien samt ihren oft rätselhaften Verhaltensweisen und den genealogisch weitreichenden Verstrickungen sind auf ewig eine Quelle für das Theater (und nicht nur für dieses). Die deutsch-iranische Dramatikerin Azar Mortazavi zeigt in ihrem Stück Zwischenzeit mit wenigen Worten, wie schier unmöglich es Menschen ist, ihre wahren Wünsche zu artikulie- ren, zu ihnen zu stehen und dadurch ehrliche Beziehungen aufzubauen.

Maria (Sonja Romei) bekommt nach Jahren Besuch von ihrer Halbschwester Mina (Maya Henselek), die einst als Teenager mit ihrem Vater in dessen Heimatland ging und die deutsche Kleinstadt samt ihren nervigen und latent rassistischen Anverwandten zurückließ. Marias Mann Toni (Raphael von Bargen), ein ängstlicher Anwalt, verschanzt sich derweil in seiner Kanzlei, um anschließend in eine Bar träumen zu gehen, träumen von Anja (Julia Jelinek), die er dort gerne kennenlernen möchte.

In Zwischenzeit, das im Rahmen des interkulturellen Autorenlabors der Wiener Wortstaetten entstand und nun im Hamakom-Theater im Nestroyhof Uraufführung hatte, lebt jeder ein falsches Leben (mit einer Ausnahme). Man merkt zunächst nichts davon, wie im echten Leben auch. Man begrüßt sich freundlich, lächelt einander herzlich zu.

Hans Eschers Regie arbeitet diese Doppelschichtigkeit wunderschön heraus. Er legt eine filigran gedachte Inszenierung vor, die den kleinsten falschen Regungen auf der Spur ist sowie den unausgesprochenen Wahrheiten. Viele Worte und Taten bleiben auf der konzentriert-schlichten, in wonnigliches Traumlicht getauchten Bühne von Renato Uz letztlich nur gedacht, im Konjunktiv. Spricht Toni die schöne Anja am Tresen an, so ist diese Heldentat nichts als seine Fantasie.

Stimmungen überlappen einander - markiert und geleitet von der dahingurgelnden Musik Roumen Dimitrovs. Zu elegisch wird es trotz mancher Tempohänger aber nicht. Dafür sorgen jene herzhaften, grotesk herausgearbeiteten Momente, die jedes Familienleben kennzeichnen, zum Beispiel wie einst das Kennenlernen in der Disco war. Schön. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 19.11.2014)