Die rund 200 Sitze waren bis auf den letzten Platz besetzt.

Philipp Hartberger

Die Mitglieder der katholischen Frauenverbindungen sehen keinen Sexismus beim Cartellverband.

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"Ich sehe das als Abenteuer", sagt Soziologe Roland Girtler über Mensuren.

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Zeithistoriker Bernhard Weidinger: CV und Burschenschaften haben denselben Feind.

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"Sie haben sich mit unseren Positionen nicht wirklich beschäftigt", wirft der ehemalige Staatssekretär Helmut Kukacka der ÖH vor.

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Stephanie Marx, Vorsitzende der ÖH Uni Wien: "Der CV ist ein Männerbund, der dafür sorgt, dass seine Mitglieder in hohe politische und wirtschaftliche Positionen kommen. Frauen werden ausgeschlossen."

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"Es ist ein anderes Sozialgefüge, wenn man mit fünf Männern in eine Bar geht, als wenn drei Paare gemeinsam weggehen", sagt der ehemalige CV-Präsident Florian Tursky.

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Würde Helmut Qualtinger noch leben, heute würde er erfahren, was Brutalität wirklich ist. Eine Diskussion zwischen der HochschülerInnenschaft (ÖH) der Universität Wien und dem Österreichischen Cartellverband (ÖCV) stellt ein Fußballspiel zwischen Simmering und Kapfenberg locker in den Schatten. Hier treffen konservative, katholische Männer auf feministische Kommunistinnen.

Angesichts der politischen Einstellung ist die die Blockbildung im Publikum überraschend: rechts vorne sitzen die Vertreter und Vertreterinnen der ÖH und ihre Symphatisanten mit grünem Bart, Undercuts, Hipsterbrillen und Jutetaschen, links vorne die Herren mit Deckel und Couleurband. Die rund 200 Sitzplätze im Festsaal der Wirtschaftsuniversität Wien sind besetzt, hinter den Sitzreihen stehen sicher noch einmal hundert Zuhörer. Manche der ÖH-Sympathisanten haben es sich am Boden mit einer Dose Bier gemütlich gemacht.

Gegen den Burschibummel

Der Wiener Cartellverband hat die ÖH der Uni Wien am Mittwoch zur Podiumsdiskussion "Couleurstudent jetzt! Couleurstudenten in Österreich" eingeladen. Anlass war das Couleurverbot an der Uni Wien, das die Studentenvertreter in einem Beschluss gefordert hatten, um den wöchentlichen "Burschibummel" zum Siegfriedskopf zu verhindern.

"Im Beschluss wird nicht zwischen katholischen Verbindungen und Burschenschaftern differenziert", kritisiert Helmut Kukacka, Staatssekretär für Verkehr während der schwarz-blauen Regierung und Präsident der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände. Kukacka, den der Moderator des Abends konsequent mit seinem Verbindungsnamen "Orpheus" anspricht, stößt sich vor allem daran, dass die ÖH in einer Ankündigung für die Veranstaltung dem CV Sexismus, Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus und Homophobie vorwirft. "Das zeigt, dass Sie sich mit unseren Positionen nicht wirklich beschäftigt haben." Mit ihrem Beschluss würde sich die ÖH gegen Meinungsfreiheit stellen.

Stephanie Marx (KSV-Lili), eine der ÖH-Vorsitzenden an der Uni Wien, kann wiederum nicht verstehen, warum der CV nicht andere äußere Merkmale als Deckel und Band wählt, um eine Verwechslung mit Burschenschaftern zu vermeiden. "Innerhalb des CV gab es diese Vorschläge auch schon", sagt sie. "Wenn die Abgrenzung so wichtig ist ist, warum positioniert man sich dann nicht ganz klar?" Die Abgrenzung sei bereits klar, man würde sich oft gegen Rechtsextremismus aussprechen, sagt Florian Tursky, ehemaliger Präsident des CV.

Ein Moderator vom CV

Jeder der Teilnehmer bekommt von seinem "Block" im Publikum Applaus und zustimmende Zwischenrufe. Nicht immer werden sie vom Moderator gutgeheißen. Wolfgang Ritzberger ist selbst CV-Mitglied und stellt gleich zu Beginn der Diskussion fest: "Ich bin nicht unabhängig. Das passt euch nicht, aber da habt ihr Pech gehabt, weil das eine Veranstaltung des CV ist."

Dann fragt er Zeithistoriker Bernhard Weidinger, der auf Vorschlag der ÖH eingeladen wurde, ob er als Autor eines Buches über Burschenschafter nicht völlig falsch hier sei. "Der CV ist kein schlagender Verband und im Gesamten nicht Gegenstand der Rechtsextremismusforschung, aber er toleriert einen rechtsextremen Rand und homophobe Hetze", sagt Weidinger.

Burschenschafter und CV hätten einen gemeinsamen Feind, nämlich die Linke. Gemeinsam hätten sie sich gegen das Frauenstudium eingesetzt und würden auch jetzt gegen das Couleurverbot kämpfen. Der Cartertellverband würde mit derselben Sprache wie Burschenschaften auf antifaschistische Proteste reagieren. "Der CV verrichtet damit die Arbeit seines angeblichen politischen Gegners", sagt Weidinger und meint damit die Burschenschaften.

"Schlampiges Verhältnis" zu Austrofaschismus

Zudem habe der CV ein "schlampiges Verhältnis" zum Austrofaschismus unter Engelbert Dollfuß, so wie die Burschenschaften zum Nationalsozialismus. "Damit will ich natürlich keineswegs den Austrofaschismus mit dem Nationalsozialismus gleichsetzen." Weidinger zitiert die Homepage des CV, wonach der Antrag auf einen Arierparagrafen im Cartellverband vom damaligen Studenten Dollfuß "im Kontext zum zeitbedingten Umfeld" zu sehen sei. Die "arische Frage" sei damals wegen der "relativen Dominanz jüdischer Studenten" virulent gewesen, der CV habe sich aus hochschulpolitischen Gründen nicht entziehen können, heißt es dort. "Die liberalen Burschenschaften konnte sich sehr wohl entziehen", ergänzt Weidinger.

Ein CV-Mitglied im Publikum sagt später: "Dollfuß hat die braune Gefahr erkannt. Er hat uns vier Jahre weniger NS-Zeit beschert." Auch er bekommt viel Applaus vom Publikum.

Für die Burschenschaften

Die Burschenschafter verteidigt Soziologe Roland Girtler, der selbst Mitglied beim schlagenden Corps Symposion ist. "Die Burschenschaften sind aus der Französischen Revolution entstanden." Erst der Nationalsozialismus habe "fürchterliche Verirrungen" gebracht. "Die Burschenschaften sind lernfähig, setzt euch zusammen und redet mit ihnen."

Girtler erzählt, dass er selbst acht Mensuren gefochten habe. "Mein Vater hatte fünf Schmisse, er war ein schlechter Fechter", erzählt er, die CVer lachen. "Warum ist man stolz auf so etwas?", fragt Cathy Schneider von der ÖH der Uni Wien aus dem Publikum. "Für mich ist das ein Abenteuer", sagt Girtler. Jetzt lachen die ÖH-Sympathisanten.

Für die meisten Diskussionen des Abends sorgt die Tatsache, dass der CV keine Frauen aufnimmt. "Der CV ist ein Männerbund, der dafür sorgt, dass seine Mitglieder in hohe politische und wirtschaftliche Positionen kommen. Frauen werden ausgeschlossen", begründet Marx, warum sie dem Cartellverband Sexismus vorwirft.

"Kerle Kerle sein lassen"

Daraufhin stehen einige Mitglieder katholischer Frauenverbindungen auf und wacheln mit ihren Deckeln. "Fragt ihr euch eigentlich, ob wir Frauen überhaupt in den CV wollen?", fragt eine von ihnen. Man habe gute Kontakte zu den Männerverbindungen und wolle die "Kerle Kerle sein lassen."

Tursky erklärt den Ausschluss von Frauen so: "Es ist ein anderes Sozialgefüge, wenn man mit fünf Männern in eine Bar geht, als wenn drei Paare gemeinsam weggehen." Die Verbindung habe sich in demokratischen Abstimmungen wiederholt gegen die Aufnahme von Frauen ausgesprochen. Mit den Kontakten zu den Frauenverbindungen habe man eine "hervorragende Lösung" gefunden. "Sie sind nicht ausgeschlossen, sie können an allen Schulungen teilnehmen."

Gegen Ende der Diskussion versucht der Moderator Gemeinsamkeiten zwischen der ÖH Uni Wien und dem CV zu finden und scheitert. Beide Seiten lachen, klatschen und freuen sich, wenn jemand ein gutes Gegenargument vorbringt. Eines haben die ÖH Uni Wien und der CV also tatsächlich gemeinsam: Die Lust daran, mit dem anderen zu streiten. (Lisa Kogelnik, derStandard.at, 20.11.2014)