Wien - Sehr blass ist Magdalena Chowaniec auf der Bühne. Irrsinn glitzert aus ihrem Blick und ihrem Lächeln. Und: Wie verrückte Marionetten zertanzen zwei scheppernde Ritter in voller Blechmontur ein altes Männerideal. Hart ging es also zu an dem Doppelabend mit Chivalry Is Dead von Alex Deutinger & Alexander Gottfarb und Chowaniec' Sanctuary Mitte der Woche im Wuk. Ganz deutlich schienen beide Stücke zu sagen: Ehr' und Glauben liegen nebeneinander im Staub.

Daher passte das ironische Pathos, mit dem die von Chowaniec gespielte, herzwunde Figur im Stück gegen dessen Ende hin das Zeitliche segnete. Ihr Publikum wurde zur beschwörenden Reanimation gerufen. Was die Zuschauer nicht zustande brachten, schaffte "er" dann, sobald sich der Vorhang einer Bühne-hinter-der-Bühne geöffnet hatte. Die junge Frau ward "ihm" zu Füßen gelegt. "Er" - der Musiker Arik Stangl - wandte die Augen von seiner E-Gitarre ab und der Verblichenen zu. Beugte sich hinab. Küsste sie unter einem mächtigen blauen Neonkreuz.

Und siehe, da stand sie auf von den Toten, um ein paar Nummern zum Abschied zu schmettern. Sicher wird Sanctuary noch einmal irgendwo aufgeführt, daher soll hier der Anfang nicht verraten werden. Nur so viel: Chowaniec und ihr Ko-Tänzer Mzamo Nondlwana schlachten die Verbindung zwischen Pop und Spiritualität mit solcher Hingabe aus, dass eine entsprechende Dramaturgie das Stück zu einem echten Highlight hätte machen können.

Solche Probleme hatten die zwei Jedi-Vorbilder in Chivalry Is Dead nicht. Im Gegenteil. Deutinger und Gottfarb ist es mit einem einfachen Rezept gelungen, auf etwas nicht ganz Harmloses hinzuweisen: Das - soziale - männliche Geschlecht wankt nur scheinbar unter seiner Krise. In Wirklichkeit aber bauen sich innerhalb der weichzeichnenden Genderdiskurs-Nebel der Post-1980er-Ambivalenz die traditionellen Symbole und Strukturen männlicher Herrschaft nicht rück, sondern nur um - und dabei aus.

Dieses Täuschungsmanöver wird hinter den auf den ersten Blick schlicht anmutenden Gesten und choreografischen Mustern der beiden Gerüsteten nur undeutlich sichtbar. Erst die Assoziation zur globalen Entertainmentindustrie, die mit großem Erfolg ein heterogenes, zugleich aber genussvoll rückwärtsgewandtes heroisches Männerbild verhökert, schafft Klarheit. Dabei hilft der Text im Programm. Und - unfreiwillig - auch Chowaniec, deren Protagonistin ebenfalls einen Herrn Erlöser braucht. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 21.11.2014)