Alle Teile des Tiers lassen sich nach der HP-Behandlung ganz einfach herauslösen

Foto: Frischeparadies

Hummer gilt als Symbol für Schlemmerei, aber auch als Sinnbild einer untergehenden Epoche. Längst sind es nämlich nicht nur Tierschützer, die mit den Praktiken, die der Genuss von Hummer mit sich bringt, gar nicht einverstanden sind.

Vom ökologischen Gesichtspunkt wirkt es mehr als anachronistisch, lebende Meerestiere quer über den Atlantik zu schiffen, um unsere Festtagstische zu ornieren. Für die Tiere ist Lebendhaltung in engen Kaltern nicht artgerecht. Immer noch gehört es für manche Restaurants zum guten Ton, Hummer über Tage - manchmal Wochen - wie Trophäen in Aquarien auszustellen, bevor sie im Kochtopf landen. Oftmals sind sie davon so ausgezehrt, dass unter dem Panzer kaum noch Fleisch zu finden ist.

Apropos Kochtopf: Es ist alles andere als gesichert, dass die Praktik, den Hummer lebend in kochendes Wasser zu tauchen - wie das die Gesetzgebung hier vorschreibt - tatsächlich die schonendste ist. Jeder, der sich darin schon versucht hat, weiß, wie diffizil es mitunter ist, den Riesenkrebs unter Wasser zu halten. Und dass sein Todeskampf bis zu einer Minute dauern kann. Aber auch die von etlichen Profiköchen bevorzugte - illegale - Tötungsmethode, dem Tier ein Messer zwischen die Augen zu rammen, kann laut Biologen nicht die schmerzfreieste sein, da Hummer über mehrere Nervenknoten verfügen, von denen einige auch nach dem Stich funktionieren.

Hochdruck-Hummer

Umso erfreulicher ist die Nachricht, dass ein Unternehmen aus Kanada eine Methode entwickelt hat, mit der diese Bedenken ausgeräumt scheinen. Clearwater, so der Name der Firma aus Nova Scotia, kommt damit auch der immer strikteren EU-Gesetzgebung in Sachen Tierschutz zuvor. In Deutschland etwa sind dem Transport und der Haltung von Hummern gleich mehrere Seiten gewidmet.

"Eigentlich sind wir durch Zufall auf die High-Pressure-Methode gestoßen", sagt Ian Gass vom inzwischen größten Hummervermarkter Kanadas, "dabei werden die Tiere durch Hochdruck getötet, was nur wenige Sekunden dauert, danach entweder halbiert oder ihrer Panzer entledigt und schließlich roh verpackt, binnen 30 Minuten nach der Tötung gefroren und in alle Welt verschickt." Dem Hummer erspart die Methode qualvolles Dahinvegetieren in engen Becken, dem Endverbraucher die Wahl der am wenigsten grausamen Tötungsmethode - sowie das schlechte Gewissen.

Die Methode hat aber noch einen anderen Vorteil: "Alle Teile des Tiers bis hin zu den filigranen Beinen lassen sich nach der HP-Behandlung ganz einfach herauslösen", schwärmt Gass. Der Hochdruck bewirkt, dass sich das rohe Fleisch samt dem rötlichen Häutchen komplett vom Panzer und den Scheren löst und im Ganzen abgehoben werden kann (siehe Bild). Für die feine Küche ergibt sich damit die Möglichkeit, das hocharomatische Fleisch auch roh - als Sashimi oder Ceviche - zu verwenden.

Ohne Bedenken

Feinschmecker alter Schule mögen bedauern, dass der Hummer nicht mehr "fangfrisch" auf den Teller komme - dabei sollten sie wissen, dass er in den meisten Fällen bereits wochenlang außer Wasser war. Alle anderen dürfen sich freuen, dass das noble Tier nun auch ohne Bedenken genossen werden kann. Noch dazu, wo seine Bestände in den vergangenen Jahren offenbar stark zugenommen haben. Dass die günstigen Preise auf dem Weg von Übersee auf scheinbar mysteriöse Weise verlorengehen, lässt sich, wieder einmal, mit dem Weltmarkt begründen: "In Ostasien werden Höchstpreise gezahlt", sagt Christian Horaczek vom Importeur Feinkostparadies, "wenn wir da nicht mitziehen, dann landet der Hummer eben in Tokio oder Schanghai auf dem Teller." (Georges Desrues, Rondo Feinkost Herbst/Winter 2014, DER STANDARD)

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