Wien - Das heimische Bildungssystem geht vor Schulversuchen über. Im Schuljahr 2012/2013 gab es bereits 5367 Schulversuche an 2900 Standorten. Damit findet an jeder zweiten Schule ein Schulversuch statt. Wie hoch die Ausgaben dafür genau sind und welche Ziele damit verfolgt werden, ist aber unklar, kritisiert der Rechnungshof in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht.

Streng genommen ist schon die Bezeichnung Schulversuch in vielen Fällen verfehlt. Eine alternative Leistungsbeurteilung wird beispielsweise bereits seit 50 Jahren erprobt (aktuell an 2026 Standorten), Ethikunterricht gibt es seit 17 Jahren. Der Fantasie sind bei den Anträgen keine Grenzen gesetzt: Es gab und gibt nicht nur die bekannten Schulversuche zur Neuen Mittelschule oder zur Zentralmatura, sondern auch welche mit Philosophie-, Ballett- oder Trachtenschwerpunkt.

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Der Schulversuch Trachtenklasse war zwischen 1945 und 1993 am Annahof in Salzburg eingerichtet, danach wurde er ins Regelschulwesen übernommen
Foto: apa

Evaluierung selten

Eine wissenschaftliche Evaluierung gibt es nur "vereinzelt", wie der Rechnungshof bemängelt. Trotzdem würden die Schulversuche teilweise in das Regelschulwesen übernommen. Das Bildungsministerium könne seine Steuerungsfunktion "nur mangelhaft wahrnehmen", weil es keinen "gesamthaften Überblick" über Schulversuche gebe, heißt es dazu.

Kritik gibt es auch an der mangelnden Kostentransparenz. Zwar gibt es grundsätzlich die Vorgabe, dass Schulversuche "kostenneutral" durchzuführen sind, ob das wirklich so ist, ist für den Rechnungshof aber nicht nachvollziehbar. Es gebe keine Übersicht, "wie hoch die Ausgaben für Schulversuche waren".

Beträchtlicher Ressourcenbedarf

Die Prüfer gehen jedenfalls davon aus, dass es sehr wohl "einen beträchtlichen Ressourcenbedarf" für Schulversuche gebe. Konkret untersucht wurden die Länder Niederösterreich und Wien, die genehmigte Stellenpläne der allgemein bildenden Pflichtschulen "beträchtlich überschritten". Mangels detaillierter Unterlage wisse man aber nicht, ob die Überschreitung tatsächlich durch Schulversuche verursacht wird.

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An der Berechnung der Kosten der Schulversuche sind die Prüfer gescheitert
Foto: dpa/Frank Leonhardt

Den hohen Ressourceneinsatz gibt es freilich nicht nur in den Schulen, sondern auch in den Landesschulräten. "Der Rechnungshof stellte beträchtliche Verwaltungskosten für die Bearbeitung der Schulversuche fest", heißt es im Prüfbericht. In Niederösterreich waren die Personalkosten je Schulversuch doppelt so hoch wie in Wien. Allerdings gilt auch hier: Für ein vollständiges Bild fehlt es an Daten.

Vertiefte Prüfung

Der Rechnungshof schlägt daher zahlreiche Maßnahmen vor. Zunächst brauche es eine "vertiefte Prüfung", um den "tatsächlichen Beitrag der einzelnen Schulversuche für die qualitative Weiterentwicklung des österreichischen Schulsystems" zu erforschen. Anzustreben sei auch eine Reduktion der Schulversuche.

Erreicht werden könnte das laut den Prüfern unter anderem durch mehr Schulautonomie. Vor allem den Berufsschulen würde das helfen. Mangels autonomer Gestaltungsspielräume seien nämlich allein 26 Schulversuche zu Freigegenständen und unverbindlichen Übungen beantragt worden, heißt es. Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) will den Vorschlag in der Arbeitsgruppe zur Bildungsreform behandeln.

Damit einzelne Versuche nicht über Jahrzehnte laufen, brauche es klar definierte Erprobungszeiträume sowie vorgegebene Ziele und Bewertungskriterien. Die Administration und Erfassung der Schulversuche müsse wiederum vereinheitlicht werden, um das "erhebliche Potenzial" zur Reduktion des Verwaltungsaufwands ausschöpfen zu können. (go, derStandard.at, 28.1.2015)