Die Verlockung wirkt auch bei Preljocaj. Wieder einmal beißt Schneewittchen in den vergifteten Apfel (Nagisa Shirai, Céline Galli).

Foto: JC Carbonne

St. Pölten - Dass Märchen nicht nur dazu da sind, Kindern Albträume zu bescheren, das ist mittlerweile - auch dank der Populärpsychologie - ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen.

Märchen wagen sich in die tieferen Ebenen der menschlichen Seelen vor und können Kindern wie Erwachsenen deshalb einiges über das Leben erzählen.

Auch der renommierte französische Choreograf Angelin Preljocaj kann märchenhaften Weisheiten einiges abgewinnen. Das sieht man auch in seiner Schneewittchen-Version Snow White (2008), die im Festspielhaus St. Pölten den Frühling einleitet. Preljocaj bringt mit 26 Tänzerinnen und Tänzern seiner Compagnie die Version der Gebrüder Grimm auf die Bühne. Die Musik dazu kommt von Gustav Mahler, die Kostümierung von Jean Paul Gaultier.

Dessen verrucht exaltiertes modisches Frauenbild passt sehr gut zu Preljocajs Version von Schneewittchen: Der Choreograf konzentriert sich auf die böse Stiefmutter, die zur Hauptfigur wird.

Schneewittchen, das ist für ihn ein umgekehrter Ödipus - tiefe Psychologie eben. (Andrea Heinz, Spezial, DER STANDARD, 29.1.2015)