Wien – An herausragenden Persönlichkeiten fehlt es in Österreich offenbar nicht. Dieser Schluss lässt sich zumindest aus aktuellen Statistiken über die Vergabe von Berufstiteln ziehen. Mehr als 10.000-mal wurden zwischen 2010 und 2014 "hervorragende Leistungen auf dem jeweiligen Gebiet", die Voraussetzung für einen Berufstitel sind, gewürdigt.

Abgefragt hat die Daten der Team-Stronach-Abgeordnete Leopold Steinbichler im Rahmen einer parlamentarischen Anfragenserie. Die mit Abstand meisten Auszeichnungen, nämlich 7.745 binnen fünf Jahren, wurden auf Antrag des Bildungsministeriums vorgenommen (über die Verleihung entscheidet der Bundespräsident). Wer die von Ressortchefin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) veröffentlichte Liste Ausgezeichneter durchscrollt, braucht starke Fingermuskeln: 137 Seiten umfasst das Konvolut an Schulräten, Regierungsräten, Oberschulräten, Oberstudienräten, Regierungsräten oder Professoren (natürlich auch in der jeweiligen weiblichen Form).

Kommerzialrat besonders beliebt

Fleißig in Sachen Verleihungen war man auch im Wirtschaftsministerium, zu dem mittlerweile auch die Wissenschaftsagenden gehören. 696-mal rückten Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und seine Vorgänger mit Anträgen aus. Besonders beliebt bei den Wirtschaftsvertretern: der Titel Kommerzialrat. Im Angebot sind aber auch der Baurat, der Technische Rat, der Hofrat, der Kanzleirat – und natürlich weitere Professorentitel.

Das drittaktivste Ressort war das Gesundheitsministerium. 554 Titel wurden an Medizinalräte, Obermedizinalräte und Veterinärräte verliehen. Wobei es mittlerweile bereits mehr sein dürften. Die Anfrage wurde nämlich im November des Vorjahres eingebracht, enthält also noch nicht alle Daten für das Jahr 2014.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) verweigerte unter Verweis auf den "exorbitanten Verwaltungsaufwand" eine detaillierte Antwort. Sie gab lediglich bekannt, dass sie seit ihrer Ernennung im Jahr 2011 89 Anträge befürwortet habe. Im Familienressort von Sophie Karmasin (ebenfalls ÖVP) wiederum gab es noch keine Anträge. Das Ressort wurde erst im März des Vorjahres geschaffen.

Mindestalter erforderlich

Für alle Ministerien gilt, dass die Verleihung erst nach dem 50. Lebensjahr erfolgen soll. Für Universitätsprofessoren gibt es allerdings eine Sonderregelung. Sie können bereits ab 45 ausgezeichnet werden. Anträge werden grundsätzlich von der Regierung bzw. dem jeweiligen Ressort gestellt, in der Praxis kommen Anregungen aber auch von Interessenvertretungen.

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Tobias Moretti darf sich nicht nur über Filmauszeichnungen freuen, sondern auch über den Titel Ökonomierat.
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So bestätigte Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) die Verleihung des Berufstitels "Ökonomierat" an Tobias Moretti. Der Schauspieler und Nebenerwerbslandwirt wurde von der Landwirtschaftskammer Steiermark vorgeschlagen. "Alle mitbefassten Stellen haben keine Einwände gegen diese Verleihung erhoben", schreibt Rupprechter.

Zur Aberkennung von Berufstiteln kommt es laut den Ministern nie. Auch abgelehnt werden einmal eingebrachte Anträge de facto nicht. Lediglich Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) berichtete von einem negativen Antrag in den letzten fünf Jahren. (Günther Oswald, derStandard.at, 3.2.2015)