"Eltern haben andere Fragen und Anliegen als Kinder, aber auch diese haben ein Recht auf ehrliche Antworten und eine gute Kommunikation, jeder auf seine Art.", sagt Lilly Damm, Forscherin im Bereich Child Public Health.

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"Ärztliche Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen", erschienen im Lit Verlag

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Eltern-Foren sind voller Kommentare, in Gesprächen zwischen Eltern taucht die Frage regelmäßig auf: Wer kennt einen guten Kinderarzt? Wie ist deiner? Oft geht es dabei weniger um die medizinischen Kompetenzen, als vielmehr um die Frage, wie der Arzt oder die Ärztin mit dem Kind umgeht – und auch mit dem Vater oder der Mutter. "Ärzte sind daraufhin ausgebildet und trainiert, Krankheiten zu diagnostizieren und zu behandeln und sie nützen den Kontakt zum kleinen Patienten, um das bestmöglich zu tun", sagt Lilly Damm. Nur, folgert die Forscherin im Bereich Child Public Health an der Meduni Wien, "haben sie wenig Wissen über das ,Wie‘, also die aktive und wissende Gestaltung der Arzt-Kind-Eltern-Beziehung". Kinderärzte würden diese nur im "Learning by Doing" lernen und nicht, so wie andere medizinische Fertigkeiten auch – in ihrer Ausbildung. " Damm hat gerade mit anderen Experten ein Sachbuch für Ärzte zum Thema ("Ärztliche Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen") herausgegeben.

Kinder als passives Objekt

Das Ergebnis vieler Arztkontakte seien "gestresste Erwachsene und verängstigte Kinder, die sich wehren." Ein Problem, dass sich immer wieder stellt, ist die Frage, ob die Kinder bei den Arztgesprächen eingebunden werden. Studien zeigen, "dass Kinder tatsächlich ,übersehen‘ werden, obwohl es um ihre Erkrankung geht und sie wesentlich dazu beitragen könnten, wichtige Informationen zu erhalten". Kinder werden so zu passiven Objekten, über deren Kopf hinweg zwischen den Erwachsenen verhandelt wird. Eine Studie aus den Niederlanden zeigt etwa, dass der kindliche Beitrag in einer ärztlichen Beratung lediglich zehn Prozent beträgt. Genauso niedrig ist auch der Anteil an Ärzten, die Kinder ausdrücklich ermutigen, sich am Gespräch zu beteiligen. Warum? "Wohl auch deshalb, weil sie nicht gelernt haben, wie man das macht", sagt Damm.

Ehrliche Antworten

Wann und wie ein Kind ins Arztgespräch eingebunden wird, hänge natürlich auch von der Thematik ab. Grundsätzlich gelte sowohl für die Eltern als auch die Ärzte: Das Kind wird unterschätzt: "Eltern haben andere Fragen und Anliegen als Kinder, aber auch diese haben ein Recht auf ehrliche Antworten und eine gute Kommunikation, jeder auf seine Art." Dagegen spricht oft auch der Faktor Zeit. Eltern würden tendieren, möglichst schnell die notwendigen Informationen über die Krankheit und die Therapie zu erfahren, da sie aus Erfahrung um die kurzen Arzttermine wissen. Damit es schneller geht, antworten sie anstelle des Kindes, ohne diesem Zeit für seine Antwort zu lassen. "Studien zufolge wird nach solchen ärztlichen Versuchen, den direkten Kontakt mit dem Kind aufzunehmen, ein reines Erwachsenengespräch weiter geführt und auch als solches beendet", sagt Damm.

"Das tut nicht weh"

Aus Unwissenheit läuft oft etwas falsch. Ein Klassiker ist die Arztaussage "Das tut nicht weh." Einen Fehler nennt Damm ein solches, oft falsches Versprechen, denn "man erspart den Kindern nichts und erschwert natürlich weitere Arzt-Kontakte, die nun mit mehr Angst und Spannung aufgeladen sind". Wichtig sei, mit dem Kind direkt zu reden, es nicht anzulügen: "Das Kind muss auch das Recht haben, seine Meinung zu äußern." Richtig sei in einer solchen Situation eine ehrliche Ankündigung, die "mit der Frage verbunden sein soll, was das Kind braucht und ihm auch zuzutrauen, diese schwierige Situation gut zu meistern". Die meisten Kinder wüssten darauf eine Antwort – und sei es der Wunsch, auf dem Schoss der Mutter zu sitzen. Oder man reicht dem Kind sein Lieblingskuscheltier. Und sagt ihm, wenn es wehtut: Jetzt ist der Zeitpunkt, das Kuscheltier fest zu drücken. (Peter Mayr, derStandard.at, 7.2.2015)