Hosea Ratschiller und sein neues, recht komplexes Kabarettprogramm "Doppelleben".

Foto: Niedermair

Wien - Das Leben ist zu kompliziert, um einfache Erklärungen darüber abgeben zu können. Schwierige Verhältnisse sind immer komplex. Die Zukunft ist keine Salami - und ein Spiel dauert 90 Minuten. Wenn man dann noch 20 Minuten Resignationspause nach der ersten Halbzeit dazuaddiert, ist man nach zwei Stunden in Hosea Ratschillers neuem Kabarettprogramm Doppelleben zwar auch nicht klüger als zuvor. Immerhin geht es ja erst einmal nicht darum, plausible Antworten zu finden, sondern die richtigen Fragen zu stellen. Man fühlt sich aber am Ende gut und erschöpfend unterhalten.

Der auch als FM4-Ombudsmann tätige Kärntner zieht in seinem neuen, derzeit unter anderem im Wiener Kabarett Niedermair laufenden Programm Doppelleben einen doppelten Boden ein. Er macht als Kabarettist, der auf der Bühne das Kabarett klug wie umständlich erklärt, die Produktionsbedingungen sozusagen postironisch transparent. Dafür schlüpft er unter anderem in seine bewährte Rolle als Franz Beckenbauer, der anhand des FC Bayern den Feminismus deutet und als "irgendwie auch eine Form von Menschenrechtsbewegung" definiert.

Seine neue Rolle als Vater und Kabarettistengatte einer Kabarettistenfrau (aus deren Notizbuch er heimlich die Ideen stiehlt) nutzt er zur Lobpreisung der menschlichen Wirbelsäule. Diese wird während der Schwangerschaft so biegsam, dass sie menschliche Evolution überhaupt erst ermöglicht. Deshalb hängt bei ihm im Herrgottswinkel nun auch ein Hohlkreuz. Die Erdmännchen kommen als Avantgarde des Tierreichs auch irgendwie vor. Als kabarettistisches Geschäftsmodell in prekären Verhältnissen wird außerdem ein Fassadenkletterer und Einbrecher beschäftigt, der während Ratschillers Vorstellungen die Wohnungen jener Leute ausräumt, die sich namentlich für seine Auftritte angemeldet haben. Kurz, der Mann gehört endlich von der Klein- auf die Mittelbühne. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 10.2.2015)