Wien - Der Wiener Brunnenmarkt und der angegliederte Yppenplatz, in Gentrifizierungskreisen liebevoll "Yppe" genannt, gelten seit Jahren als Hassobjekt Gutmenschen hassender Zivilisationskritiker. Deren Ablehnungsliste ist lang, und man kennt die meisten Einwände. Die größten Kritiker der Elche waren ja früher selber welche: Man findet auf ihr Bobos mit Bugaboos, in denen Kinder sitzen, die Noah oder Anne-Sophie Mutter heißen. Es gibt Hipster oder Leute, die zum Essen vegane Fischgerichte bestellen, um sich dann als Frutarier zu outen. Tee trinken tut man nur, wenn man krank ist! Nieder mit dem Prosecco! Der Eselsalami keine Chance! No Parmesan!

Allerdings: Besser ein Gutmensch als ein Oaschloch. Nein, nein, nein! Früher war trotzdem alles besser! Früher gab es am Brunnenmarkt nämlich noch nicht so ein deppertes "buntes Treiben". Es war hier richtig ungemütlich und versifft. Es wohnten chancenlose Inländer ebenso hier wie arme Ausländer. Statt Ingwer-Zitronen-Tee wurde zum Brunch Branntwein gereicht. Am Gürtel unten übte das Rotlichtmilieu seine Kernkompetenz aus. Es bot in Kinos und Puffs Entspannungsangebote für jeden Geschmack. Und zwischen den von anatolischen Zuwanderern bewirtschafteten Marktständen, an denen es noch keinen Rucola zu kaufen gab, kugelten nachts die Junkies herum und ging der Drogenhandel um. Multikulti my ass.

Gregor Seberg glaubwürdig als Rock Rockenschaub

Manfred Rebhandls 2012 mit dem Roman "Das Schwert des Ostens"
gestartete, mittlerweile drei Teile umfassende Reihe über den zwischen Kebap und Cupcake herumsauenden Privatermittler Rock Rockenschaub gilt literaturgeschichtlich betrachtet als früher Höhepunkt des Gentrifizierung-Bashings. Den das Viertel mit Strickstuben, Kinderwägen und Pop-up-Galerien überrennenden Bobo-Müttern setzt er, das zeigt nun auch die Übertragung des Romans auf die Bühne des Wiener Rabenhofs, Schmutz und Schund und Rock 'n' Roll entgegen.

Mit Gregor Seberg als recht glaubwürdig abfuckendem Rock Rockenschaub werden einige wichtige Themen angesprochen: Saufen und Kiffen, ein Mord im ausländerfeindlichen Metzker- und Trafikantenmilieu, eine die ganze Gegend mit ihrem E-Bike terrorisierende Teestuben-Besitzerin, die anatolische Mafia und der große Pornodarsteller Jack Schleck. Der schleckt sie alle - bis er an Zungenkrebs erkrankt. Irgendwie kommt also schon auch ein Kriminalfall vor, das Buch Rebhandls ist ja so eine Art Krimi.

Gerald Votava gibt dazu Rocks Haberer Lemmy. Er singt zwischendrin wie Prince im Fortpflanzungsfalsett, damit auch Livemusik vorkommt. Der wahre Star des Abends aber ist das in seiner Versaut- und Verkommenheit umwerfend schöne, kindische Freude machende Comics-Bühnenbild des Multitalents Bernd Püribauer. Hoffentlich rennen ihm die Leute deshalb nicht die Bude ein. Bernd mag nämlich Theater nicht.

Unter der Regie Christina Tscharyiskis wird schließlich eines deutlich: Manfred Rebhandl will uns Bobos (besser als Oaschloch!) provozieren. Aber er will die Welt auch verbessern. Es entsteht zum Beispiel viel Unglück auf Yppe, wenn man kein Fleisch isst! (Christian Schachinger, DER STANDARD, 12.2.2015)