Fotoskizze aus dem Gerichtsakt: Auf der Schattendorfer Hauptstraße fielen 1927 jene Schüsse, die schließlich die Erste Republik aus den Angeln gehebelt haben.

Burgenländisches Landesarchiv

Eisenstadt – Natürlich sagt einem das niemand ohne die vorgehaltene Hand. Gleichwohl ist es für gespitzte Ohren unüberhörbar, dass und wie sehr es in der SPÖ – ja, auch der burgenländischen – ein Bedürfnis gibt, sich wieder sozialdemokratisch vorkommen zu dürfen, ohne gleich als illoyal punziert zu werden.

Dieses Bedürfnis ist gewissermaßen auch eine Marktlücke, die nun das burgenländische Renner-Institut – zurzeit im Schulungsstress für den anlaufenden Wahlkampf – schließen will. Am 28. März ruft die pannonische SP-Parteiakademie zur ersten "Exkursion" durchs "rote Burgenland". Akademie-Chefin Claudia Schlag führt zu den Schauplätzen nicht nur pannonischer Partei-Kampfgeschichte.

Pannonische Schlamperei

Sondern auch nach Neudörfl, wo am 5. April 1874 die cisleithanische Sozialdemokratie ins Leben gerufen wurde von 74 Delegierten aus allen Kronländern. In Baden und Wiener Neustadt war die Versammlung verboten worden, also wich man ins nahe ungarische Lajtaszentmiklós aus, eben das heutige Neudörfl.

In Ungarn war die Obrigkeit keineswegs liberaler. Dass die cisleithanischen Sozialisten in Transleithanien tagen konnten, lag in dem seit dem Ausgleich 1867 gültigen Beziehungsgeflecht Wien-Budapest. Claudia Schlag: "Die Meldung ging übers Außenministerium nach Budapest, und bis von dort der örtliche Gendarm verständigt wurde, war die Versammlung schon wieder vorbei." So stolperte die SPÖ gewissermaßen durch eine pannonische Schlamperei in ihr Dasein.

Junge Landesgruppe

In dieser SPÖ war die erfolgreichste Landesorganisation – 48,3 Prozent fuhren Hans Niessl und seine Genossen ein 2010, ein Ergebnis, das in Wien möglicherweise für eine Verfassungsmehrheit reichen könnte – noch nicht vertreten. Das Burgenland kam ja erst im Dezember 1921 zu Österreich. Schon im Jänner entstand fürs neue Land dessen rote Seite. In Wiener Neustadt, gleich gegenüber dem Bahnhof, immerhin mussten viele westungarische Exilanten von Wien anreisen.

Schattendorfer Schüsse

Von Wiener Neustadt – jene rote Hochburg, die am Sonntag in schwarze Bürgermeisterhand gelegt wurde – geht es weiter nach Schattendorf, an den Schauplatz jener Schießerei, bei der 1927 "Frontkämpfer" auf marschierende Schutzbündler schossen. Zwei Tote blieben liegen auf der Schattendorfer Hauptstraße, darunter der achtjährige Josef Grössing, Bruder der Großmutter des nunmehrigen Kulturministers Josef Ostermayer. Dem Freispruch der Schützen fiel der Wiener Justizpalast zum Opfer und schließlich die ganze Republik.

"Gänsehautfeeling" hatte Robert Hergovich bei der ersten, internen Exkursion. Jetzt, da es wahlkampfbedingt wieder ans wadelbeißende Alltagsplänkeln geht, findet der rote Landesgeschäftsführer – Jahrgang 1976 – es beinahe "psychohygienisch wichtig", sich zu vergegenwärtigen, "worum es eigentlich geht".

"Nicht um Sightseeing", so Claudia Schlag, "sondern um Plätze, wo wirklich Geschichte passiert ist." Zwei Expeditionen sind für heuer schon fixiert, "Gruppen ab 15 Personen können jederzeit buchen." Und tatsächlich hätte man schon Anmeldungen. Nicht nur aus dem Burgenland. "Interessenten aus Vorarlberg und Tirol haben angefragt."

(Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, Printausgabe 17.02.2015)