Gut gefüllt: Schon jetzt geht im neu eröffneten "Stadtkrug" in der Weihburggasse ohne Reservierung gar nichts.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Ein fast vergessenes Gericht: Geschmorter Rindsbauch mit Rahmfisolen und Püree.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Stadtkrug in der Weihburggasse erzählt von einer Epoche Wiens, die lange vergangen ist – zum Glück. Von den bleigrauen Jahren der Nachkriegszeit bis tief in die 1970er wurden die Trottoirs in Wien mit Einbruch der Dunkelheit hochgeklappt. Abends, so erzählen Überlebende dieser toten Ära, konnte man eigentlich nur zum Heurigen gehen, davon abgesehen gab es eine Handvoll Adressen, an denen sich das wirtschaftswunderlich verdiente Geld auf lohnende Art beim Fenster hinauswerfen ließ. Neben der Eden Bar und den Drei Husaren war das auch der exakt vis-à-vis gelegene Stadtkrug. Die Gazetten dieser Zeit berichten von Romy Schneider und Hans Moser als regelmäßigen Gästen, von Karajan und Bernstein, Kreisky und Kissinger. So gesehen könnte man fast meinen, dass zumindest die Promis in jener Zeit mehr Format hatten.

Für lokale Esser

Seit vergangener Woche gibt es an dieser Adresse wieder einen Stadtkrug. Die Wirtsfamilie Huth hatte das Lokal vergangenes Jahr als "Stadtgasthaus" aus der Taufe gehoben, da wurde mit Blick auf den prominent bei der Kärntner Straße gelegenen Schanigarten aber eine auf Touristen fokussierte Linie mit Tafelspitz, Schnitzel und Kaiserschmarren gefahren. Nachdem das nicht ganz so eingeschlagen hat, soll die Adresse nunmehr auch für lokale Esser aufpoliert werden.

Als Restaurantleiter wurde der bewährte Herbert Schmid (der "Käse-Schmid" aus dem alten Steirereck) installiert, er war zuletzt im Artner am Franziskanerplatz zugange. Sommelier Markus Gruber hat er gleich mitgenommen, was sich in einer beachtlichen, neben den Großklassikern aus der Wachau und dem Burgenland auch auf allerhand spannende Winzer neuer Generation fokussierten Weinkarte niederschlägt, die auch lohnende Blicke über den Tellerrand wagt. Und in der Küche?

Da gibt es wie gehabt die Klassiker (von denen speziell der Zwiebelrostbraten mit raffiniert drapierter Senfgurke ein Bringer ist), darüber hinaus tun sich aber hübsche Überraschungen auf. Gepresster und hauchdünn geschnittener, lauwarm mit Belugalinsen und knackigem Grünzeug aufgetragener Schweinskopf etwa, eine wunderbar ausbalancierte Vorspeise, die die dichten Aromen des Fleisches mit Frische und feiner Säure im Dressing aufzufangen weiß. Oder bissfest gegarte, scharfe Krentascherln mit Creme und knackig pochiertem Blattspinat.

Risotto als Ritschert

Seesaibling wird knusprig gebraten und mit Lardo, vor allem aber mit einem ganz und gar köstlichen Risotto vom Rollgerstl kombiniert, das als Ritschert auf der Karte steht. Noch gelingt nicht alles in dieser Qualität, beim Kalbszüngerl mit Erbsenpüree etwa fehlt es an Esprit und Säure, das gebackene Kalbsbries scheint bereits vor dem Panieren bis zur Trockenheit niederpochiert worden zu sein. Geschmorter Rindsbauch mit Rahmfisolen und Püree (siehe Bild) ist eine gelungene Interpretation eines fast vergessenen Gerichts – mehr Pfiff in der Würzung und ein weniger gnadenlos reduzierter Schmorsaft wären aber gut gewesen.

An einem Ort wie diesem nicht anders zu erwarten: Es lohnt, Platz fürs Hinterher zu lassen – für Schmids Käsewagen ebenso wie für Powidltascherln mit Zwetschkenröster, noch mehr aber für das Eierlikörparfait, gehüllt in köstlich bittere Schokolade. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 20.2.2015)