Wir gehören und gehorchen dem Netz: "Anonymous P".

Foto: Nicolas Duc

Wien - Die Schlacht ist noch nicht geschlagen, aber alle haben sie bereits gewonnen. Ganz besonders, wenn sie online sind. Der Video- und Performancekünstler Chris Kondek und die Journalistin Christiane Kühl führen im Brut-Theater unter dem Titel Anonymous P. vor, wie dieser Sieg aussieht.

Eigentlich ist Anonymous P. eine performative Installation über Verblendung und die Zähigkeit von Erkenntnisverläufen. Im Vordergrund der Show innerhalb dieser Installation aber steht jene große Utopie, um die zäh gekämpft wurde: die totale Vernetztheit. Diese ist heute Wirklichkeit. Und ohne Internet würde die gesamte Infrastruktur mittlerweile wohl jedes Staates auf diesem Globus zusammenbrechen.

Es ist eine Gratis-Utopie. Natürlich nur scheinbar, denn im Zuge der Weltvernetzung wurde einfach die Währung gewechselt. Jetzt wird einheitlich bezahlt. Nicht in Euro, sondern mit Daten via Big Data. Insgeheim, um unsere Laune nicht zu trüben. Bei Anonymous P. freuen sich Kondek und Kühl zusammen mit u. a. dem Performer Phil Hayes, dem Hacker Nathan A. Fain und der Künstlerin Sonja Füsti über die mitgebrachten Mobiltelefone des Publikums.

Alle erhalten einen QR-Code, man darf sich gegenseitig scannen. Das verbindet die Besucherinnen und Besucher lässig miteinander. Hacker Fain hat auch seinen Spaß, denn er schaut heimlich nach, was er so alles über die vernetzten Anwesenden herausfinden kann: während gesungen und gesprochen wird, während es um Prometheus und das den alten Göttern entwendete Licht geht, während Steve Jobs (Apple), Eric Schmidt (Google) und der Medienphilosoph Marshall McLuhan von der Videoleinwand sprechen.

In Gläsern glänzt die Leber des bestraften Prometheus. Das unentbehrliche Handy leuchtet als Büchse der Pandora. Das Licht wird als Symbol für die dunklen Mächte, die alle unsere Schritte und Tätigkeiten verfolgen, geoutet. Die Fackel der Aufklärung, für die das Netz ja auch einmal stand, ist zur Höllenglut geworden. Und diese trägt nun Namen wie zum Beispiel Smart Light.

Was das ist? Die Möglichkeit, über LED-Beleuchtungskörper nebenbei Daten zu sammeln und zu vernetzen: die Perfektion der guten alten Videoüberwachung. Genüsslich führt Anonymous P. vor, was schon ist und was sich gerade anbahnt. Mit historischen Vergleichen, eingängigen Metaphern und gut gespielter Fröhlichkeit.

Alles Schwarzmalerei? Vielleicht nicht, wie sich herausstellt. Schon beginnen Technikfreaks ihre einstige Naivität zu beklagen, und auch bei den Social-Media-Fans macht sich ein Erwachen bemerkbar. Das Internet gehört uns nicht, sondern wir gehören - und gehorchen - dem Netz. Kein Zweifel: Anonymous P. ist eine einleuchtende Arbeit. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 21.2.2015)