Startschuss des Kosmostheaters im Jahr 2000

Foto: Bettina Frenzel, Kosmosarchiv
Foto: Bettina Frenzel, Kosmosarchiv

Standard: Eine Förderzusage wurde vonseiten des Wiener Kulturamtes kürzlich zurückgenommen, jeweils 30.000 Euro für die Jahre 2015 und 2016. Wie wurde das argumentiert? Und vor welche Probleme stellt Sie das jetzt?

Klein: Es gab dazu keinerlei Begründung. Die Zusage liegt seit eineinhalb Jahren schriftlich vor. Wir haben mit dem Geld längst geplant. Für langfristige Kooperationen ist das nun schrecklich, besonders für das Jahr 2015, weil diese 30.000 Schulden bedeuten. Ich konnte keine Produktion mehr absagen. Wobei wir immer jonglieren müssen, da wir auch von Projektförderungen abhängen. D. h., wir planen stets zwei Versionen des Spielplans.

Standard: Mit welchen Zielen sind Sie Ende der 1990er-Jahre angetreten?

Klein: Das Konzept, das ich 1998 geschrieben habe, sah vor, Künstlerinnen zu fördern, einen Raum für Kunst und Politik einzurichten, um Künstlerinnen gezielt in Leitungspositionen zu bringen, also Regisseurinnen, Komponistinnen, Dirigentinnen usw. Ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es an weiblichen Lebenswelten fehlt. Denn das klassische Theater ist ja ein zu hundert Prozent patriarchales. Künstlerinnen sollen motiviert werden, Leitungspositionen anzustreben. Das ist gar nicht so einfach, wenn man bedenkt, dass nur fünf bis zehn Prozent der gespielten Stücke von Dramatikerinnen sind. Denn die müssen nicht nur schreiben, sondern auch noch ein Theater finden, das eine Uraufführung inszeniert. Es braucht enorm viel Publizität, Zuwendung, Geld.

Standard: Aber auch männliche Kollegen brauchen das.

Klein: Ja, aber da gibt es dann die vielen männlichen Theaterdirektoren und die Sujets, mit denen sich die Kollegen wohlfühlen. Ich will nicht die Klischeetante sein, die sagt: Männer interessieren sich für Kampf und Krieg und Frauen nicht. Nein, es gab zum Beispiel auch Sarah Kane. Aber Männer haben unterschiedliche Erfahrungen; sie leben in einem anderen Kosmos. Es ist wichtig, dass nicht die einen hochkommen und die anderen weg, sondern es braucht auf beiden Seiten Durchmischung im Sinne von Diversität. Unsere Zeit ist dominiert von Terrorgruppen wie IS oder den Separatisten in der Ukraine. Wir sind mitunter bedroht von einer männlichen Denkart. Die müssen wir Frauen infiltrieren.

Standard: Wie sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?

Klein: Die künstlerischen Stützen unseres Hauses sagen, dass sie mehr Bewusstsein bekommen haben und motiviert worden sind, feministisch zu denken. Dies vermittelt sich auf spannende Art und Weise in ihren Arbeiten.

Standard: Das Kosmostheater ist das Produkt eines politischen Engagements. Welches Theater gibt dem Haus das Profil?

Klein: Erstens ist es offen für alle Sparten. Der Raum hat hervorragende technische Möglichkeiten; er ist wandelbar, geeignet für Tanz genauso wie für Barockoper, für Performance oder Theater. Wichtig ist, dass in dieser Stadt das zeitgenössische Sprechtheater nicht verschwindet. Party und Performance sind derzeit sehr en vogue, aber das sind nur Events. Wir hingegen bieten drei Wochen Produktionslaufzeit; nur so können sich Regisseurinnen entwickeln. Zweitens ist es mir inhaltlich wichtig, in den dramaturgischen Gesprächen mit Regisseurinnen und Autorinnen Rollenbilder zu hinterfragen.

Standard: In puncto Gendermainstreaming hat sich in den letzten zehn Jahren einiges getan. Es gibt eine Burgtheaterdirektorin, bald eine Volkstheaterdirektorin. Ein weiblicher Blick ist also installiert. Wird das Kosmostheater, provokant gefragt, absehbar obsolet?

Klein: Ich würde es mir wünschen. Nur denke ich, dass wir keinen objektiven Blick haben. Die Präsenz von Frauen und Männern ist noch lange nicht paritätisch. Bevor wir nicht auch eine Operndirektorin haben, ist dieser Gedanke hinfällig. Deshalb haben wir im Kosmostheater auch die wunderbare Barockoper Talestri von Maria Antonia Walpurgis ins Programm genommen, sie erzählt vom Konflikt der gleichnamigen Amazonenkönigin. Mich wundert, warum sich nicht auch größere Häuser dafür interessieren.

Standard: Sie meinen wohl, weil dort meist Männer entscheiden?

Klein: Genau. Sie haben oft Scheuklappen. Es sagt ihnen nichts. Zunächst war ja die Kunst weiblich, wie wir zu wissen glauben, und dann gab es Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende, in denen es geheißen hat: Frauen können keine Kunst machen. Es ist unglaublich, wie das heute noch auf uns einwirkt: Frauen als Tänzerinnen: ja, aber bitte nicht in Leitungspositionen. Das war tabu fast bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Und das ist seither eine sehr kurze Zeit. Daran müssen sich viele erst gewöhnen.

Standard: Ihr Theater ist gestartet mit dem Namen "Kosmos Frauenraum", wurde aber dann in Kosmostheater umbenannt, weil viele irrtümlich dachten, es sei nur für weibliches Publikum. Dieser Ruf hängt aber noch nach, oder?

Klein: Das stört mich gar nicht. Aber zum Glück gibt es das Missverständnis nicht mehr. Wir haben im Publikum ein Mischverhältnis von 60 zu 40, also 60 Prozent Frauen. Das ist fast überall so.

Standard: Vorwiegend ist die Aufbaugeneration am Werk. Gibt es ein Nachwuchsproblem?

Klein: Ganz so sehe ich es nicht. Viele junge Regisseurinnen haben in den letzten Jahren bei uns ihre Karriere gestartet: Katrin Schurich, Dora Schneider, Esther Muschol, Tanja Witzmann, Rachelle Nkou, Anne Frütel, Heidi Sommer. Ich bin eher darüber besorgt, was mit Frauen passiert, wenn sie die 50 überschritten haben. Sie verschwinden. Das ist in der Kunst dramatisch.

Standard: Wie soll es weitergehen?

Klein: Die Stadt Wien und die Betreiberinnen haben sich darauf geeinigt, dass das Kosmostheater nicht kommunalisiert wird. Somit wird es vom Trägerverein Link.* Verein für weiblichen Spielraum unter meiner Intendanz weiter bespielt. Es bleibt zu hoffen, dass gemäß den oftmals geäußerten Bekenntnissen des Kulturstadtrats zum Frauenraum Kürzungen der Vergangenheit angehören und die zahlreichen innovativen Aktivitäten ausreichend gefördert werden.

Standard: In Kosmostheater-Produktionen soll jeweils mindestens eine wichtige Entscheidungsposition eine Frau einnehmen. Ist diese Quote noch nötig, bzw. wäre sie gar auch für andere Theaterhäuser sinnvoll?

Klein: Ja. Zweimal ja.

(Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 28.2.2015)