Wien - Unter dem Titel "Freiraum für Österreichs Schulen" arbeitete die Expertengruppe Schulverwaltung für die aus Vertretern der Bundesregierung und der Länder zusammengesetzte Bildungsreformkommission ein neues Modell zur Schul-Steuerung aus. Im Zentrum stehen Schulautonomie, die zentrale Steuerung durch das Bildungsministerium und die in den Ländern angesiedelten Bildungsdirektionen.

"Verflochtene Zuständigkeiten" als zentrales Problem

Als zentrale Problemstellen ortet das von Landesschulratspräsidenten sowie Spitzenbeamten aus dem Bundes- und Landesbereich und einem Vertreter der Industriellenvereinigung erstellte Papier die "verflochtenen Zuständigkeiten zwischen Gemeinden, Bund und Ländern", die "getrennte Finanzierung des Schulsystems", die "hohe Verrechtlichung und die damit verbundene Detailsteuerung" und den "verfassungsrechtlich vorgegebenen Parteienproporz". Dem könne mit diversen Maßnahmen begegnet werden:

SCHULAUTONOMIE: Die Schulen sollen eine "deutliche Stärkung von Autonomie erfahren". Neue Gestaltungsspielräume sollen entstehen, indem den Schulen die Verantwortung für Pädagogik, Organisation, Personal und Finanzen überantwortet wird. Detailliertere Angaben dazu gibt es aber kaum. Das Schulmanagement obliegt einer "entsprechend qualifizierten Schulleitung, die administrativ unterstützt wird". Im Zentrum soll die Weiterentwicklung der Schule stehen, gleichzeitig sind externe Kontrollen durch eine einzurichtende "zentrale Qualitätssicherungsstelle" vorgesehen.

Die Schulen können eigene Schwerpunkte setzen, dabei inhaltlich bis 25 Prozent vom vorgegebenen Lehrplan abweichen und alternative Leistungsbeurteilungen (derzeit nur als Schulversuch möglich, Anm.) frei wählen. Künftig soll es zudem den Schulen überlassen sein, "wie sie die Unterrichtszeit über die Wochen bzw. Monate des Schuljahres verteilen". Außerdem ist eine Unterscheidung zwischen den Öffnungszeiten der Schule und der pädagogischen Arbeit und damit eine grundsätzliche Ausrichtung auf ganztägige Schulen angedacht. Auch über den Tagesablauf sollen die Standorte selbst entscheiden können. Die bis zu fünf schulautonomen Tage sollen zugunsten einer individuellen Freistellung auf Antrag der Eltern gestrichen werden.

SCHULGRÖSSE und -LEITUNG: Im Volksschul- und Neue Mittelschulbereich wird als "idealtypische Mindestgröße" einer autonomen Schule eine Schülerzahl von 200 angestrebt, in der Sekundarstufe II (Oberstufenbereich) liegt die Grenze bei 400 Schülern. Kleinere Standort würden aber nicht zugesperrt, sondern in einem "organisatorischen Verbund" zusammengefasst - etwa mit einem gemeinsamen Direktor.

ZENTRALE STEUERUNG DURCH DEN BUND: Damit die Schulen ihre Autonomie optimal nutzen können, brauche es klare Zielvorgaben und regelmäßige Ergebniskontrolle. Orientierung geben sollen hier bundesweit einheitliche Rahmen, die vom Bildungsministerium kommen sollen. Die Expertengruppe empfiehlt, die Gesetzgebungskompetenz beim Bund zu belassen, bei gleichzeitigem Wegfall der Ausführungsgesetzgebung. Im Rahmen eines "neuen Schulgesetzes" als Maßnahme zu Deregulierung sollten die verbindlichen Rechtsvorschriften reduziert werden. Der Bund wäre neben der Gesetzgebung dann für Lehrplangestaltung, das Dienstrecht oder die Pädagogenaus- und Weiterbildung allein zuständig.

OPERATIVE UMSETZUNG DURCH DIE LÄNDER: Durch die Übernahme von Kompetenzen durch die Schulen und klare Vorgaben von der Bundes-Ebene, könne die operative Umsetzung über bei den Ländern angesiedelte "Bildungsdirektionen" übernommen werden. Deren Aufgaben wäre dann unter anderem die Schulerhaltung, die Personalbewirtschaftung, die Unterstützung und Begleitung der autonomen Schulen oder die bedarfsgerechte Ressourcenzuweisung und die regionale Planung. Es sind etwa Leistungsvereinbarungen mit den Schulleitungen angedacht.

ZENTRALE QUALITÄTSSICHERUNGSSTELLE: Eine Schlüsselrolle scheint einer neu einzurichtenden Qualitätssicherungsstelle zuzukommen. Ihr obliegt demnach die Überprüfung der Schul- und Unterrichtsqualität, die risikobasierte Prüfung einzelner Schulen, sowie die Evaluierung der Effizienz des Bildungssystems und die Erstellung eines Schulqualitätsberichts ans Parlament.

FINANZIERUNG: Mittels eines "normkostenbasierten Ressourcenmodells" sollen die Kosten durch den Bund transparent berechnet werden. Berücksichtigt werden sollten dabei topografische, pädagogische sowie soziodemografische und sozioökonomische Faktoren. Zukünftig soll es mehrjährige Leistungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern geben.

Für die Umsetzung der Reformen wird im Papier ein Ausbauplan bis 2025 vorgeschlagen.

Grüne sehen Chance auf "wirklichen Schritt vorwärts"

Die Chance auf einen "wirklichen Schritt vorwärts" sieht der Bildungssprecher der Grünen, Harald Walser, im für die Bildungsreformkommission erstellten Vorschläge der Expertengruppe Schulverwaltung. Die Grünen bieten sich als Verhandlungspartner für die Umsetzung der teils "vorwärtsweisenden" Ideen an. Die Grundlage der Diskussion müsse allerdings dieses Papier und nicht der "Pröll-Plan" sein.

Mit seinen Äußerungen in der "Pressestunde" am Wochenende habe der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) ein "falsches Bild" vom Inhalt des Papiers erzeugt, erklärte Walser am Donnerstag vor Journalisten in Wien. Die Frage der Verländerung stelle sich im Hinblick auf die teilweise erstaunlichen Vorschläge nicht, denn bei der Umsetzung würden sowohl Bund und Länder Macht abgeben. (APA, 5.3.2015)