Die Analyse ist grundfalsch. Die EU-Außenpolitiker tun so, als ob es sich in Mazedonien um einen Konflikt zwischen Opposition und Regierung handeln würde. Die Gründe dafür, dass Polizei und Justiz auf politischen Zuruf agieren, die Regierungspartei die öffentliche Meinung kontrolliert und Aufträge ohne Ausschreibung vergibt, sind aber sicher keine Streitereien zwischen Parteien oder ethnische Spannungen. Mazedonien ist ein autoritär geführter Staat geworden, in dem die demokratische Kontrolle nicht funktioniert. Ungarns Premier Viktor Orbán, der sich übrigens mit dem Mazedonier Nikola Gruevski bestens versteht, ist im Vergleich ein liberales Engerl.

Die EU-Außenpolitiker nennen den Autoritarismus nicht beim Namen, sie agieren feige. Seit Jahren empfiehlt die Kommission die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Mazedonien. Offenbar will man nicht wahrhaben, dass das Land längst abgedriftet ist. Man könnte meinen, dass es Wichtigeres gibt, als auf einen armen, kleinen, peripheren Staat zu schauen. Doch wer keine klare Werthaltung nach außen vertritt, schadet auch der Glaubwürdigkeit nach innen. Diese Politik vergisst nicht nur auf jene, die vor Ort für Demokratie kämpfen, sie schwächt das gesamte Europa. "Am Ende wird die Situation wie mit Erdogan sein. Bald werden die genug haben", sagte ein mazedonischer Minister über die internationale Gemeinschaft. Wenn Europa von Mazedonien genug hat, hat es aber bereits verloren. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 7.3.2015)