Bild nicht mehr verfügbar.

Ereichtert nach der emotionalen "Hölle": Peter Westenthaler kann die Zeit als Bundesliga-Vorstand und BZÖ-Chef vorerst hinter sich lassen

Foto: APA/Herbert Neubauer

Live-Gerichtszeichnung von STANDARD-Cartoonist Oliver Schopf

Cartoon: Oliver Schopf

Wien - Noch schnell die Lesebrille geputzt, denn die braucht selbst ein einstiges Mitglied aus Jörg Haiders Buberlpartie irgendwann. Dann setzte Peter Westenthaler am Freitagmorgen mit dem Warnhinweis, es könnte "etwas umfangreicher werden" in Saal 203 des Wiener Straflandesgerichts zur (vor-!)letzten Erklärung an, warum er sich nach zwölf Verhandlungstagen von Mitte Oktober bis Anfang März und zahlreichen Aussagen teils prominenter Zeugen (von Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel über Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser bis zum früheren Bundesliga-Präsidenten und Neo-Politiker Frank Stronach) entlastet sieht und dabei bleibt: Er sei unschuldig.

Worum es ging

Vor der Verteidigung noch kurz die Anschuldigungen der Anklage: Einerseits ging es um den Vorwurf,Westenthaler und der mitangeklagte Thomas Kornhoff hätten in ihrer Zeit als Bundesliga-Vorstände eine Millionenförderung des Bundes zweckwidrig zur Tilgung einer Finanzschuld der Bundesliga verwendet. Oberstaatsanwältin Barbara Schreiber wird weiter unten im Artikel noch Gelegenheit haben, jene Argumente recht plastisch auszuführen, auf die sie hier ihre Anklage stützte.

Im zweiten Verfahrensteil ging es um die Zahlung von 300.000 Euro der Österreichischen Lotterien an die einst BZÖ-eigene Werbeagentur Orange. Hier wurde dem früheren BZÖ-Chef Westenthaler vorgeworfen, mittels Scheinrechnung für ein de facto wertloses Gutachten zum Thema "responsible gaming", einen Beitrag zur Untreue geleistet zu haben. Hauptangeklagt, aber krankheitsbedingt nicht verhandlungsfähig war hier der langjährige Lotterien-Chef Leo Wallner.

Westenthaler übernahm die Verteidigung in dieser Causa mit den Worten "ich bin kein Jurist, versuch's aber" und fragte sich, wie eine Beitragstat seinerseits überhaupt rechtlich möglich sein soll, wenn noch gar nicht ausjudiziert sei, ob Wallner überhaupt eine Straftat begangen habe. Und auch sonst appellierte er, ganz gelernter Politiker, an das Gefühl seiner Wähler. Pardon, Schöffen. So sei er in den vergangenen Monaten "emotional durch die Hölle gegangen - und trotzdem platzte ihm erst ganz zum Schluss, am Tag der Urteilsverkündung, beinahe der weiße Kragen. Schuld daran war Anklägerin Schreiber mit ihrem bühenreifen Abschlussplädoyer. Wild gestikulierend sprach sie in der Causa Bundesliga von einem "nahezu unterträglichen Gemisch aus Korruption, Inkompetenz und Ignoranz".

Best of Beweislast ...

Die Beweislast sei so "erdrückend", dass sie lediglich ein "Best of" wiedergeben könne. Stichwort "Schädigung": Die liege darin, dass der Zweck, nämlich die finanzielle Abgeltung des Mehraufwandes, der den Vereinen durch die Jugendarbeit entstanden ist, verfehlt wurde. Und auch wenn "dem Paragraf 146 des Strafgesetzbuches völlig egal ist, wer geschädigt wurde", für die Staatsanwaltschaft war klar: Es ist der Österreichische Fußballbund. Stichwort "unrechtmäßige Bereicherung": Schreiber befand lautstark: "Der Betrugstatbestand ist hier erfüllt, wie es klassischer nicht sein könnte", er "passt, als ob er für unseren Fall gemacht sei".

Aber auch die gelernte Staatsanwältin wusste an das Bauchgefühl der Schöffen rund um Richter Wolfgang Etl zu appellieren. Rhetorische Frage der Anklägerin: "Aber das ist ja so formaljuristisch." Rhetorische Antwort: "Ja, aber das ist unsere Rechtsordnung." Rhetorische Frage: "Aber das ist ja alles nicht so schlimm", Westenthaler habe sich ja nicht persönlich bereichert. Kunstkniffige Antwort: "Das Verhalten Westenthalers verachtet das fundamentale Grundprinzip der Republik" - nämlich: Das Recht geht vom Volk aus. Aber, redete sich Schreiber in Rage: "Der Wille des Parlaments interessiert Ingenieur Westenthaler nicht. Er betrachtet die Republik offensichtlich als Melkkuh und den Nationalrat als Staffage." Wesenthaler glaube "über den Gesetzen zu stehen", folglich sei auch "die Prognose für künftiges Wohlverhalten düster". Dann befand sie noch, es sei klassisch für "einen Betrüger, dass er wortgewandt ist". Auch in der Causa Lotterien qualifizierte sie Westenthalers Verantwortung vor Gericht als "völlig unglaubwürdig".

... best of Freispruch

Die Schöffen und Richter Etl entschieden im Duell der Wortgiganten für Peter Westenthaler und sprachen ihn sowohl vom Vorwurf des schweren Betrugs , als auch vom Vorwurf der Untreue als Beteiligter frei. Die Urteile sind nicht rechtskräftig, die Staatsanwaltschaft meldete Nichtigkeitsbeschwerde an, das BZÖ Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung.

Richter Etl begründete gegen Ende des Prozesstages: "Es zieht sich wie ein roter Faden durch alle Vorstandssitzungen, dass die Förderzusagen die conditio sine qua non für den Vergleich war." Da die Bundesliga und die Klubs eine "Quasi-Identität" hätten, sei die Fördermillion "den Vereinen tatsächlich zur Gänze zugekommen". Sie hätten folglich "ganz im Sinne des Förderzwecks" von dem Geld profitiert. Westenthaler und Kornhoff haben sich laut Gericht nicht des inkriminierten Betrugs schuldig gemacht. Konsequenterweise wurde auch der Antrag der Staatsanwaltschaft abgewiesen, die gegenständliche Million bei der Bundesliga für verfallen zu erklären

Schiefe Optik, abgeschöpftes Geld

Zur Lotterien-Scheinrechnung erklärte Etl: "Natürlich, die Optik ist schief." Es seien aber "überhaupt keine Beweise hervorgekommen, dass Westenthaler dahinter gesteckt hätte". Hingegen sei "evident", dass aufseiten des BZÖ eine strafbare Handlung begangen wurde. Das bedeutet für die Orangen: Der von der Staatsanwaltschaft beantragte Verfall im Ausmaß der eingetretenen Bereicherung wurde für zulässig erklärt, die 300.000 Euro werden bei den Orangen - sollte das Urteil rechtskräftig werden - abgeschöpft. Dabei ist allerdings auf die knapp 940.000 Euro Bedacht zu nehmen, die das BZÖ im Fall einer nach wie vor nicht rechtskräftig abgeurteilten Parteispende der Telekom Austria zu leisten hätte, sofern der Oberste Gerichtshof (OGH) diese Entscheidung des Wiener Landesgerichts vom September 2013 bestätigt. (Karin Riss, DER STANDARD, 7.3.2015)