Harald Fröhlich als listenreicher Odysseus am Schauspielhaus Salzburg.

Foto: Jan Friese, Blowup Studio

Salzburg - Nach 20 Jahren des Krieges und der Irrfahrten kehrt Odysseus heim. Er landet in der Schweinebucht - schon in der historischen Realität Schauplatz eines Fiaskos. Christoph Ransmayr, der seine zweite dramatische Arbeit Odysseus, Verbrecher für das Ruhrfestival 2010 schrieb, nimmt eine Neudeutung des antiken Mythos vor. Dabei lässt er den Kriegshelden zwischen alle Zeiten fallen, Vergangenheit mischt sich mit Gegenwart und Zukunft, Aktuelles mit Mythischem. In einer postapokalyptischen Trümmerlandschaft interpetieren die gebrochenen Figuren auch den Mythos von männlichem Heldentum und weiblichem Selbstverständnis neu.

Österreich-Premiere feiert das Stück am Salzburger Schauspielhaus. Als Odysseus (sehr eindringlich: Harald Fröhlich) in Ithaka strandet, schaut er wie ein Sandler aus. Und wird gleich von der Strandläuferin Athene (Martina Dähne) überlistet, einem "Flintenweib" mit Pistole wie aus Mad Max. Handys, Nachrichtensendungen, Klatschkolumnen, Ölteppiche, Sturmgewehre, Springerstiefel, Tarnkleidung und Staubsauger kommen vor, mit Odysseus wird ein Selfie gemacht. Wer auf den Schlachtfeldern gegangen ist, an dessen Schuhen klebt Blut. Nicht nur dort: Als Odysseus gemeinsam mit Sohn Telemach (Simon Ahlborn) die Freier seiner Frau Penelope (Daniela Enzi) niedermetzelt, sind ihre Hände ebenso blutbefleckt wie die zuvor makellos weiße Kleidung Telemachs.

Die Massaker zeigt Regisseur Robert Pienz nicht; aber die Akteure sprechen Klartext: "Jeder ist zu allem fähig", und "man tötet nicht, man versucht zu überleben". Immer wieder tritt aus dem Off als Stimme von Odysseus' Opfern, quasi eine moderne Form der Erynnien, ein "Chor der Krüppel und Gefallenen" ein. Aufgenommen und produziert wurde er - wie auch die wuchtige Musik (Ilona und Christoph Lindenbauer, Christian Kapun) - zuvor im Studio. Der Chor klärt über die politische Lage in Ithaka auf: Arbeitslosigkeit, soziale Missstände, Korruption. Penelopes Freier heißen Reformer, dargestellt werden sie als zynische Geschäftemacher. Assoziationen zum heutigen Griechenland sind naheliegend, einer der Reformer trägt sogar ein Syriza-Leiberl. Eine wohl etwas zu platte Anspielung, dass neue Besen um nichts besser als die alten kehren.

Ansonsten hat die Inszenierung samt dem überzeugenden Ensemble und der spartanisch ausgestatteten Bühne (Ragny Heiny) es geschafft, den Mythos zu erden. So ein Held ist auch nicht mehr das, was er einmal war. (Gerhard Dorfi, DER STANDARD, 23.3.2015)