Salzburg - Die Komposition sei schlecht, trivial, vulgär. Ein, zwei Seiten vielleicht seien es wert, gerettet zu werden: Nikolai Rubinstein holte zwar den jungen Tschaikowski als Professor für Komposition nach Moskau. An dessen Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll op. 23 ließ er dennoch kein gutes Haar. Hans von Bülow dagegen fand die Ideen originell, edel und kraftvoll. Die Menge an Details würden der Klarheit und Einigkeit des Ganzen nicht schaden. Und die Sächsische Staatskapelle Dresden mit Pianist Arcadi Volodos haben bei den Osterfestspielen tatsächlich auch ein Konzert aus einem Guss präsentiert. Der Überfülle der oft scheinbar nur episodisch aneinandergereihten Motive setzten Dirigent Daniele Gatti und Volodos mitreißenden Drive in der großen Linie und teilweise haarpinselfein gearbeitete Miniaturen entgegen. Besonders die Dialoge des Solisten etwa mit Flöte, Klarinette oder Fagott überzeugten mit beredeter Intensität.

Strahlkraft des Klaviers

Die Strahlkraft von Volodos' präzisem Anschlag im Piano ist überwältigend. Im Andante faszinierten das scheinbar volksmusikantisch deftige Daherkommen und das impressionistische Wegdriften der Motive. Die eher plakativ hingedonnerte Einleitung fand im Finale ihr strahlendes Gegenstück. Pures Osterfestspielglück. Mit der Symphonie Nr. 10 e-Moll op. 93 von Schostakowitsch waren weite Publikumsteile - dem Gehuste nach zu schließen - nicht so glücklich. Vielleicht, weil Gatti den verschatteten Stimmungen und den kammermusikalischen Bläserpassagen besondere Aufmerksamkeit zollte. Allein der erste Satz war ein bewegendes Psychogramm.

Der bizarre zweite Satz fegte als wild gewordener Brummkreisel vorüber. Mitreißend und auch hustenfrei. Erst im vierten Satz findet der Komponist - die Zehnte entstand kurz nach Stalins Tod - zu helleren Tönen. Die wie belastende Erinnerungen auftauchenden dunklen Klangfarben ließen in der Interpretation die kraftvoll vorwärtsdrängenden Passagen nur umso heller strahlen. (Heidemarie Klabacher, DER STANDARD, 1.4.2015)