Wien - Wenn es passiert, dann fährt es richtig ein, das besondere Ereignis im Tanz. Die entscheidende Abweichung in einer Kunstform. Die Finger im Spiel hat diesmal der Belgier Kris Verdonck. Er präsentierte am Wochenende im Tanzquartier Wien (TQW) sein Stück Exit, das bereits 2011 in Zusammenarbeit mit der aus Frankreich stammenden und in Österreich lebenden Tänzerin Alix Eynaudi entstanden ist. Verdonck ist nicht eigentlich Choreograf, sondern ein im besten Sinn "transmedial" arbeitender Künstler zwischen Architektur, bildender Kunst, Tanz, Installation und Theater.

Wenn er sich ein Tanzsolo ausdenkt, kann dieses schon einmal aus einem auf Touren gebrachten ausgebauten Automotor bestehen wie Dancer #2, der die Theaterpolizei beim Wiener Festival Imagetanz 2010 schwer überfordert hat. In Exit lädt Verdonck sein Publikum ein, sich einem Schläfchen hinzugeben, während Eynaudi auf der Bühne tanzt.

Das klingt nicht gerade spektakulär. Im Erlebnis kann es aber ein Hammer sein. Zur Einstimmung wird per Video ein Ausschnitt aus dem Vortrag Sleep, Memory and Dreams von Robert Stickgold gezeigt. Danach zeigt Eynaudi im Loop eine fünfminütige, langsame Tanzsequenz zu einlullender Musik und in gedimmtem Licht. Das Publikum macht sich's bequem.

Man möchte zugleich schauen und doch ein bisserl einnicken. Zu erkennen ist, dass die Tänzerin bei jeder Wiederholung ein dunkleres Kleid trägt. Die Lider werden schwer, die Szene beginnt zu verschwimmen und sich mit Traumgespenstern zu mischen. Schemenhaft zittert die Gestalt der Tänzerin durch vazierende Tagesreste, "Bild" und "Einbildung" vermischen sich.

Nach einer Stunde wird es hell im Theater. Man erwacht und sieht Eynaudi strahlend im goldblitzenden Paillettenkleid tanzen. Exit ist eine Choreografie der Wahrnehmung. Ein echter Traumtanz. Und ein Meilenstein der partizipativen Performance. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 13.4.2015)