Berlin - Jetzt ist es amtlich: Der aus Belgien stammende Museumsmacher Chris Dercon (56) wird Nachfolger von Intendant Frank Castorf (63) an der Berliner Volksbühne. Das kündigte Berlins Regierender Bürgermeister und Kultursenator Michael Müller am Donnerstag in der Fragestunde des Abgeordnetenhauses an.

Am Freitag will der SPD-Politiker den derzeitigen Leiter der Tate Modern und früheren Chef des Münchner Hauses der Kunst als neuen Theaterintendanten vorstellen. "Ich freue mich darauf, dass Chris Dercon 2017 nach Berlin kommt", so Müller im Parlament.

Die Personalie, obwohl bisher nicht bestätigt, hatte schon im Vorfeld einen beispiellosen Streit um die Zukunft der Berliner Theaterlandschaft ausgelöst. Mehrere namhafte Intendanten, allen voran der scheidende Berliner-Ensemble-Chef Claus Peymann, warfen Müller vor, die traditionsreiche Volksbühne zu einer Art Festivalhaus umbauen zu wollen.

"Wir wollen das bisher Erarbeitete nicht in Frage stellen oder kleinreden, sondern wir wollen es für die Zukunft weiterentwickeln", betonte Müller im Parlament. Dercon habe viel Erfahrung darin, die unterschiedlichsten Ausdrucksformen interdisziplinär zu verknüpfen. "Diese Erfahrung wird er zusammen mit anderen Persönlichkeiten einbringen", so Müller.

In welcher Konstruktion dies geschehen soll, ließ der SPD-Politiker zunächst offen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll jedenfalls der französische Tänzer und Choreograf Boris Charmatz zum Team gehören. Für die neuen Aufgaben soll der Etat der Volksbühne um fünf auf 22 Millionen Euro erhöht werden. Der frühere Flughafen Tempelhof ist als zusätzliche Spielstätte vorgesehen.

Dercon gilt als innovativer und ehrgeiziger Kulturmanager. 2003 hatte er die Leitung des Hauses der Kunst in München übernommen und dort mit seiner gattungsübergreifenden Arbeit für Aufsehen gesorgt. Seit 2011 steht er an der Spitze der Tate Modern in London, dem weltweit populärsten Museum für Moderne Kunst.

Müller betonte, die Volksbühne habe immer dafür gestanden, neue Dinge aufzunehmen, neue Ausdrucksformen zu suchen und Genres zu verbinden. "Genau diesen Ball nehmen wir auf", sagte der Regierungschef. Dennoch werde die Volksbühne ein Ensemble- und Repertoiretheater bleiben. "Wir wissen, wie wichtig gerade die Arbeit der Volksbühne für Berlin ist. Aber gerade deshalb ist es nach 25 Jahren erfolgreicher Arbeit auch wichtig, einen Neuanfang zu wagen."

Für die Intendantin der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel, Amelie Deuflhard, ist die Ernennung Dercons "eine Entscheidung für das Stadttheater der Zukunft. "Glückwunsch zu dieser spektakulären Entscheidung, die die Berliner Landschaft ordentlich umkrempeln wird", sagte Deuflhard der Deutschen Presse-Agentur.

(APA, 23.4.2015)