In Sachen Flüchtlingspolitik befindet sich die EU an einem Scheideweg – und Österreich als Teil des Ganzen ist mit dabei. Denn nach den Brüsseler Außenminister-Beschlüssen von Montag steht Grundlegendes zur Wahl.

Bleibt das Thema Asyl in der EU weiter ein humanitärer Belang oder wird es vielmehr militarisiert? So lautet die aktuelle Frage. Zwar sprach EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini von einem Mehrstufenplan. Dieser sehe erst in späteren Phasen den Einsatz von Waffengewalt gegen "kriminelle Schlepperbanden" zum Beispiel in Libyen vor, wo es derzeit noch dazu mangels einer verhandlungsfähigen Regierung keine Ansprechpartner für europäische Politiker gibt.

Mogherinis Konzept zielt aber schlussendlich auf Waffengebrauch ab: Gibt der UN-Sicherheitsrat grünes Licht, so sollen in nichteuropäischen Ländern begrenzte Kriegshandlungen gegen die Profiteure am illegalen Grenzverkehr gesetzt werden. Mit allen Folgen, die es hat, wenn sich Militärs - und nicht die dafür eigentlich zuständige, im Zivilen weit mehr verankerte Polizei – um die Aufrechterhaltung von öffentlicher Ordnung und Sicherheit kümmern.

Konkret will man die schwimmenden Untersätze der Schlepper zerstören, in denen tausende Flüchtlinge auf der Überfahrt über das Mittelmeer ihr Leben riskieren. Doch wie wird ein Schiff zum Schlepperboot? Wohl durch den Umstand, dass sich Geschleppte auf ihm befinden.

Also ist es naiv oder unverantwortlich anzunehmen, die Bootsdemolierung durch Waffengewalt werde ohne sogenannte Kollateralschäden vonstattengehen. Im Klartext: ohne tote oder verletzte Flüchtlinge. Welch eine Bankrotterklärung für das Selbstverständnis Europas als Kontinent der Menschenrechte wäre das! Bisher hob sich Europa im Umgang mit Asylsuchenden immerhin wohltuend etwa von Australien oder Indonesien ab.

In Wahrheit wären solche Opfer auch durch den dichtesten schlepperunterstützten Andrang auf Europas Gestade nicht zu rechtfertigen, der sich, wie es heißt, in den kommenden Monaten noch intensivieren kann. Wobei die EU schon beim Management der bisherigen Herausforderungen an vielen Orten nackt dasteht.

Denn wie anders als beschämend sind die Reaktionen aus einer Vielzahl EU-Mitgliedstaaten auf den jüngsten Asyl-Quotenvorschlag der Kommission zu bezeichnen? Gerne, aber nicht bei uns, heißt es da allenthalben – so als hätten die notorischen Streitereien um die österreichischen Asyl-Länderquoten die EU-28 angesteckt.

Tatsächlich entpuppt sich die Ablehnung von Flüchtlingen, die nichts anderes als die altbekannte Fremdenfeindlichkeit ist, jetzt als ernsthaftes, ja, vitales gesamteuropäisches Problem. In diesem Sinne ist Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die dies kürzlich mit anderen Worten äußerte, zuzustimmen.

Nur: Mikl-Leitner sagte das in einem Zeltlager, das errichtet werden musste, weil für die vermehrt ankommenden Flüchtlinge im beherbergungserfahrenen Österreich kein festes Dach über dem Kopf gefunden werden kann. Dabei handelt es sich um ein selbstproduziertes Problem: Statt, zum Beispiel, rechtzeitig auf die vielen Quartierangebote von Bürgern zurückgekommen zu sein, sind Zelte sowie Kasernen jetzt der letzte Ausweg. Ein schlechter Weg, denn so wird das Asylthema auch in Österreich teilmilitarisiert. (Irene Brickner, 20.5.2015)