Francisco Carmona, Elisabeth Martín-Sanchez und Matthias Weiss - José Maria Aranda steht gerade in der Küche.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Großzügige Portionsgröße: Kabeljau in Dashi-Fond mit knackigem Rettich und Zucchino.

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Die Küchen der spanischen Regionen sind wahrscheinlich noch stärker von der Qualität der Grundprodukte abhängig als die italienischen. Verrückt nach Meeresfrüchten sind sie sowieso. Das macht es schwer, in unseren Breiten guten Eindruck zu hinterlassen: In fragwürdigem Olivenöl ertränkte Tapas, Fisch und Meeresfrüchte, die aus den Tiefen der Freezer gefischt werden, Schinken wie auch Würste aus Industrieproduktion - wie soll da etwas Ordentliches rauskommen?

Wenn sich ein Wirtshaus dazu versteigt, neben Klassikern auch eine Idee jener Kreativität vermitteln zu wollen, die Spanien an die Spitze der Weltgastronomie geschossen hat, sollten überhaupt die Alarmglocken schrillen. Seit April aber zeigen drei Andalusier im Gespann mit einem Südtiroler in Wien-Leopoldstadt, wie auch solch tolldreister Wagemut erfreuliche Ergebnisse zeitigen kann - zumindest in Ansätzen. Dass in Spanien die schlimmste Krise seit Jahrzehnten herrscht, hilft dabei insofern, als ein Koch wie José Maria Aranda, der schon in allerhand Sterneküchen zugange war, dieser Tage eben in einem Wiener Wirtshaus gelandet ist.

Unter Bäumen

Im El Hans sitzt man mitten im Zweiten sehr beschaulich unter Bäumen. Im Service werken Elisabeth Martín-Sanchez und der Südtiroler Matthias Weiss mit Umsicht und Charme, Francisco Carmona hat die Schank über, zapft Trumer und Schnaitl, betreut den Keller mit ein paar gut kalkulierten, klug ausgesuchten Flaschen aus Spanien und Südtirol - die Österreicher darf man ausnahmsweise links liegen lassen. Herausragend: der straffe, feingliedrige Eisacktaler Silvaner vom Kuenhof.

Die Tapas beschränken sich auf wenige Positionen: Schinken vom halbwilden Pata Negra, mutmaßlich das Beste, was es vom Schwein überhaupt geben kann - wenn er per Hand vom ganzen Bein geschnitten wird. Im El Hans macht das eine Maschine vom Stück, dennoch alles andere als fad. Pimientos de Padrón, winzige grüne Paprika, werden klassisch frittiert, herrlich. Und sonst? Gibt es gute Oliven und extrem knusprig gebackene Calamares, die den Gusto auf das nächste Glas auf erfreuliche Art zu steigern wissen.

Bei den "echten" Speisen fehlt hie und da der Mut zu geradlinigen Lösungen. Wobei: Montags, wenn es Steaks vom langsam gewachsenen galizischen Blondvieh gibt oder Burger aus demselben Fleisch samt hausgemachter Chorizo, dann kann nichts schiefgehen. Auch manches von der Karte, wie knackiger Salat mit Chorizo, Ofentomaten und kurz gebratenen Garnelen, kurz Gebratenes vom iberischen Schwein oder Ceviche vom Wolfsbarsch mit Guacamole, knapp mariniert und von frischer Limettensäure, macht uneingeschränkt Freude.

Massiver Kabeljau

Rotbarbenfilets auf schwarzem Reis mit feiner Ajoblanco-Sauce, die mittels Guindilla-Chiles aufgemotzt wird, sind hingegen gummige, ausgelaugte Tiefkühlware. Gyoza, mit Apfel und Chorizo gefüllt, auf Ananas und Sesam klingen nach genau jener Art von verstiegener Kreativküche, die auch in Spanien nur in seltenen Fällen, und nur in absoluten Tophäusern, aufgeht.

Ist auch hier so: dicke, diffus fruchtige Teigbemmerln, die zwar irgendwie angebraten wirken, aber im Wesentlichen kalt sind - unerfreulich. Immer wieder blitzt die Klasse von Chef Aranda aber auf: Bei einer massiven Schnitte vom Kabeljau in wunderbar balanciertem Dashi-Fond mit knackigem Rettich und Zucchino etwa - trotz großzügiger Portionsgröße bleibt da das angenehme Gefühl zurück, dass man keinesfalls zu viel davon hatte. (Severin Corti, RONDO, 12.6.2015)