Nach dem Scheitern der Krisengespräche von Kommissar Johannes Hahn mit den vier wichtigsten mazedonischen Parteichefs am Mittwoch in Brüssel läuft die Zeit davon. Bis Ende Juni sollen die Inhalte für die Fortschrittsberichte geklärt sein. Wenn sich nicht in den nächsten Tagen eine Lösung anbahnt, ist es zu spät. Dann wird Mazedonien erstmals keine Empfehlung mehr für die Aufnahme von EU-Verhandlungen bekommen. Das Land könnte also von Europa fallengelassen werden.

Das würde jenen in der EU, die ohnehin keine Erweiterung und kein Engagement für Südosteuropa wollen, entgegenkommen. Der autoritären Regierung in Skopje ist es sowieso egal. Mit einer offiziellen Abkehr vom EU-Weg würde in dem labilen Staat aber auch die Gefahr der Unsicherheit und Gewalt steigen. Die EU würde ihr bisher erfolgreichstes außenpolitisches Instrument, die Erweiterungspolitik, infrage stellen und das Versprechen aufgeben, das sie 2003 in Thessaloniki gegeben hat, nämlich dass die Zukunft der Westbalkanstaaten in der EU liegt.

Viel schlimmer aber wäre: Sie würde Millionen Menschen enttäuschen, die noch immer an die transformatorische Kraft der EU glauben und für die diese auch die einzige Hoffnung auf Demokratisierung ist. Das mag den EU-Bürgern egal sein. Es wäre aber verantwortungslos, die Südosteuropäer im Stich zu lassen, auch weil eine Destabilisierung auf dem Balkan die EU destabilisieren würde.

Offensichtlich haben die Werkzeuge und Initiativen der EU-Kommission für den Balkan ihre Grenzen längst erreicht. Die Methode greift nicht. Gefragt sind nun die EU-Staaten, dass sie endlich die Augen aufmachen und eine neue entwickeln. Nicht egal wäre es etwa den Regierenden in Mazedonien und Bosnien-Herzegowina, wenn man die Visaliberalisierung infrage stellt. Denn dann hätten sie die Bürger gegen sich. (Adelheid Wölfl, 11.6.2015)