Der 20. Jahrestag der orchestrierten Massentötung von Bosniaken durch bosnisch-serbische Einheiten in Srebrenica naht. Er wird von manchen politischen Eliten nicht etwa zum Anlass genommen, um über die Propaganda zu sprechen, die das Verbrechen mitverursacht hat, oder über die politische Verantwortung dafür. Vielmehr dreht sich die Diskussion darum, ob Serbien oder der Republika Srpska mit der juristischen Einordnung der Massengewalt als Völkermord und einer diesbezüglichen UN-Resolution Unrecht getan wird. Das ist eine Themenverfehlung, denn über Fakten kann man nicht verhandeln.

Das Leiden und die Folgen des Verbrechens für die Angehörigen der Opfer sind ohnehin unermesslich. Allerdings zeigen die Zurückweisung von Fakten, das Aufrechnen mit den "eigenen Toten" und die Ablehnung des Begriffs Völkermord, um das eigene Imageproblem zu minimieren, einen Mangel an Mitgefühl und offenbaren Versäumnisse bei der Reform der alten Strukturen. Zusätzlich schafft die Realitätsverweigerung für Serbien und die Republika Srpska eigentlich nur ein weiteres Imageproblem.

Dass der serbische Premier Aleksandar Vucic aber nun am 11. Juli nach Srebrenica kommen will, ist zumindest ein Signal dafür, dass er einräumt, was ohnehin alle wissen: Im Bosnienkrieg war es politischer Plan, in einigen Gebieten alle Nichtserben zu vertreiben oder zu vernichten. Über 80 Prozent der getöteten Zivilisten waren Bosniaken. (Adelheid Wölfl, 21.6.2015)