Wien – Das vom Ministerrat abgesegnete Staatsschutzgesetz, mit dessen Hilfe extremistischen und terroristischen Bedrohungen schon vor entsprechenden Untaten entgegengetreten werden soll, stößt auf Kritik – vor allem, dass über die entsprechenden Ermittlungsschritte wie etwa den Einsatz von V-Leuten nun doch ein Rechtsschutzbeauftragter und nicht ein Richter wachen soll.

Gewichtige Grundrechtseingriffe

Werner Zinkl, Präsident der Richtervereinigung, erklärt im STANDARD-Gespräch, dass er eine richterliche Kontrolle "besser gefunden" hätte, weil es einfach "eine andere Qualität" habe, wenn ein Gericht vor gewichtigen Grundrechtseingriffen wie einer Überwachung die Angelegenheit auf Angemessenheit prüft – "und es ist auch transparenter", betont Zinkl. Die Kontrolle durch einen Rechtsschutzbeauftragten ist für ihn "nicht vergleichbar".

Kaum bewältigbar

Wie berichtet hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) trotz anderslautender Zusagen im April am Dienstag erklärt, dass sie nun doch auf einen Rechtsschutzbeauftragten als Kontrollor setzt. Dabei hat Manfred Burgstaller, im Ressort in ebendieser Funktion, im Mai gewarnt, dass er mit den aktuellen Kapazitäten die neuen Aufgaben "sicher nicht bewältigen" könne.

Im Büro von Mikl-Leitner versichert man jetzt für den Vollzug des umstrittenen Gesetzes, das frühestens im Frühjahr 2016 in Kraft treten soll: "Der Rechtschutzbeauftragte bekommt selbstverständlich personelle Unterstützung in dem Ausmaß, wie er sie benötigt."

"Hochqualifizierte Pensionisten"

Der Grüne Peter Pilz dagegen hält fest, dass Rechtsschutzbeauftragte in der Regel zwar "hochqualifizierte Pensionisten" seien, aber von der Ministerin ernannt werden und deswegen nicht als unabhängig gelten können. Seine Partei besteht jedenfalls auf einer sauberen Gewaltentrennung – und damit auf richterlicher Kontrolle.

Vertrauensleute aus verdächtigen Milieus

Das Anheuern von "Vertrauensleuten" außerhalb des Behördenapparats des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung gilt unter Kritikern als bedenklich, weil dabei mitunter Personen just aus jenen Milieus rekrutiert werden können, die im Verdacht stehen, verfassungsgefährdende Angriffe vorzubereiten – wie etwa jihadistische oder rechtsextreme Gruppen.

Bedenkliche Daten

Abgesehen davon stoßen sich Datenschützer und auch Pilz daran, dass unbescholtene Bürger im Zuge der erweiterten Befugnisse, etwa durch eine neu vorgesehene Analysedatenbank, ins Visier der Ermittler geraten können – und dass die so gewonnenen Erkenntnisse an in- wie ausländische Geheimdienste weitergereicht werden. Dazu versteht das Gesetz als "verfassungsgefährdenden Angriff" auch Delikte wie die "Herabwürdigung staatlicher Symbole" – worunter strenggenommen schon das "Verhunzen der Kärntner Landeshymne" fällt, wie Pilz moniert.

Giftzähne ziehen

Pilz hofft nun auf parlamentarische Beratungen mit SPÖ und ÖVP. Für den Fall, dass die Koalitionäre auch für "eine scharfe parlamentarische Kontrolle" der neuen Maßnahmen in der Terrorbekämpfung zu gewinnen seien, stellt er die Zustimmung der Grünen und damit die nötige Zweidrittelmehrheit für eine richterliche Kontrolle in Aussicht: "Denn es jetzt geht darum, dem Gesetz die Giftzähne zu ziehen." (Nina Weißensteiner, 1.7.2015)