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Der Präsident der Universitätenkonferenz, Heinrich Schmidinger, beklagt das fehlen eines substanziellen Hochschuldiskurses.

Foto: APA / Georg Hochmuth

Wien – Die den Universitäten für die Jahre 2016 bis 2018 zugesicherten zusätzlichen 615 Millionen Euro werden de facto immer weniger. "Wir müssen aus diesen Mitteln viel mehr bestreiten als gedacht", monierte der Präsident der Universitätenkonferenz (Uniko), Heinrich Schmidinger, am Mittwochabend. "Was jetzt noch zur Verfügung steht, deckt nicht einmal Kostensteigerungen und Inflation ab."

Frustriendes Im-Kreis-Drehen

Schmidinger würde zwar gerne einen hochschulpolitischen Diskurs über Grundsatzfragen führen – immer wenn man zu einem solchen ansetze, hole einen aber die Realität ein: "Wir kommen immer wieder an die selben Ausgangspunkte. Das hat schon einen frustrierenden Aspekt." Das seien eben zunächst die knappen Kassen. Trotz einiger Erfolge wisse man etwa nicht, wie es mit dem vor allem die Grundlagenforschung an den Unis fördernden Wissenschaftsfonds FWF weitergehe: "Die Budgetknappheit ist so groß, dass schon wieder im Raum steht, die Bewilligungsquote zu senken und Programme abzusagen."

Aus den von Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) verhandelten zusätzlichen 615 Millionen Euro müssten die Unis nun plötzlich Ausgaben bestreiten, für die sie bisher nicht aufkommen mussten. Größter Brocken sind die rund 100 Millionen Euro für die Umsetzung des neuen Ärztearbeitszeitgesetzes an den Uni-Kliniken. Dieses komme zwar formal aus der Ministerreserve, so Schmidinger – "aber de facto natürlich aus den 615 Millionen". Außerdem müssten die Unis jetzt Ausgaben abdecken, die bisher der FWF übernommen habe, wie etwa die Overheadkosten für FWF-geförderte Projekte.

Mitterlehner "mag uns auch irgendwie"

Schmidinger macht sich dabei wenig Illusionen: "Die Unis spielen in der politischen Welt eine nebengeordnete Rolle. Es ist immer etwas anderes wichtiger und aktueller." Dass das Thema allerdings derart ins Hintertreffen geraten sei, sei schon bedenklich. Daran habe auch die Zusammenlegung von Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium nicht viel geändert. Zwar lege sich Mitterlehner für die Unis ins Zeug ("Ich glaub, er mag uns auch irgendwie") – andererseits habe er aber auch viele andere "immens fordernde" Funktionen. "Deshalb habe ich die Sorge, dass dieser Effekt, dass die Unis nur eine nebengeordnete Rolle spielen, noch massiv verstärkt wird."

Hehre Ziele, allgemeine Aussagen

Ein gutes Beispiel, wie abseits eines ernsthaften Diskurses Hochschulpolitik gemacht wird, sind für Schmidinger die derzeit laufenden Diskussionen über einen Universitätsentwicklungsplan. Dieser soll die künftige Ausrichtung und Entwicklung der Unis festlegen und zwei Leistungsvereinbarungsperioden umfassen. "In der derzeitigen Fassung enthält der Plan nur sehr viele allgemeine Aussagen – wie etwa, dass es gute Betreuungsrelationen braucht. Was aber nicht drin steht, ist, wie diese hehren Ziele in die Realität überführt werden sollen." Bei den künftig angestrebten Studentenzahlen habe man sich überhaupt vor einem gestalterischen Ziel gedrückt, meinte der scheidende Rektor der Medizin-Uni Wien, Wolfgang Schütz: "Es gibt Zahlen der Statistik Austria, wie sich die Studierendenzahlen in den nächsten Jahren entwickeln werden – und die hat das Ministerium einfach als Zielwert genommen."

Wider die "Kündigungskultur"

Schütz pochte in seiner Funktion als Vorsitzender des Dachverbands der Universitäten auch darauf, dass die Universitäten weiter auf befristete Dienstverhältnisse für ihre Mitarbeiter setzen. Pläne für eine verstärkte Implementierung von unbefristeten Verträgen samt einer damit einhergehenden "Kündigungskultur" seien aufgrund der rechtlichen Lage kaum umsetzbar, sagte Schütz.

Derzeit wird im Wissenschaftsministerium eine Novelle des Universitätsgesetzes (UG) vorbereitet, in der unter anderem Karrieremodelle geregelt werden sollen. Von den Neuerungen betroffen wären vor allem jene Mitarbeiter, die unter den Uni-Kollektivvertrag fallen.

Gehälter aus Globalbudget und aus Drittmitteln

Für diese gilt grundsätzlich das Angestelltenrecht – allerdings werden sie auf zwei Arten finanziert: Das aus dem Globalbudget der Unis bezahlte Stammpersonal hat zu fast drei Viertel unbefristete Verträge, die über Drittmittel (vor allem für Forschungsprojekte) finanzierten Mitarbeiter zu fast 90 Prozent dagegen nur befristete Dienstverhältnisse.

Das UG sieht allerdings Grenzen für die Befristung vor: Arbeitsverhältnisse dürfen bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit auf höchstens sechs (bei Teilzeitbeschäftigung acht) Jahre befristet werden. Innerhalb dieser Zeit ist bei Drittmittel-Mitarbeitern auch eine mehrmalige hintereinanderfolgende Befristung möglich.

"Wir haben uns bei diesen Drittmittelverträgen zu sehr auf die Leiter der Forschungsprojekte verlassen, dass sie von sich aus schauen, die besten der Drittmittelangestellten dann auf unbefristete Stellen zu bekommen", konzedierte Schütz. In den vergangenen Jahren hätten viele Projektmitarbeiter diese sechs Jahre erreicht – die Rektoren würden diesen aber keine unbefristeten Verträge geben, weil sie Sorge haben, diese nach dem Wegfall der Projektmittel aus dem begrenzten Globalbudget nicht mehr finanzieren zu können.

Prekariat vermeiden

Folge war, dass die betroffenen Mitarbeiter trotz höheren Alters nach Auslaufen der Befristung die Uni verlassen mussten. "Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass diese prekären Stellen ab einem gewissen Alter entweder in ein unbefristetes überführt werden oder die Mitarbeiter bei Verlassen der Uni noch nicht so alt sind", so Schütz.

Die vermeintlich einfachste Lösung, nämlich allen Mitarbeitern von Anfang an ein unbefristetes Dienstverhältnis zu geben und bei mangelnder Qualifikation oder Ende der Drittmittelgelder zu kündigen, greife nicht, so Schütz. "Sie können keinem Arbeitsrichter klarmachen, dass Sie – wenn Sie wegen Wegfalls der Drittmittel kündigen – bei einem Betrieb mit 4.000 Personen keine andere Stelle für den Mitarbeiter finden." Auch bei Kündigungen wegen mangelnder Qualifikation gebe es eine Tendenz der Arbeitsrichter, keine neuen Arbeitslosen zu schaffen – außerdem würden so Gerichte über die wissenschaftliche Qualität entscheiden.

Jeder Gekündigte zieht vor Gericht

An der Medizin-Uni Wien habe es seit der Ausgliederung 2004 knapp 30 Kündigungen gegeben, so Schütz. Mittlerweile würden alle davon vor Gericht gehen – zwar verliere man nicht alle Fälle, am Ende stünde aber oft ein Vergleich, der auch schon einmal mehrere Jahresgehälter koste. In rund zehn Prozent der Fälle müsse der Arbeitnehmer sogar wieder eingestellt werden.

Ganz grundsätzlich seien die Unis auch nicht dazu da, allen neu eintretenden Mitarbeitern eine permanente Karriere zu ermöglichen, betonte Schütz. "Die universitäre Community lebt auch vom Wechsel." Vielmehr müssten die Hochschulen dafür sorgen, dass diese Leute auch in der Privatwirtschaft Perspektiven haben: "Wenn man an der ETH Zürich eine Stelle verlässt, sind Sie begehrt." Es sei auch nicht möglich, alle Mitarbeiter mit einer gewissen Qualifikation zu behalten: "Wenn wir lauter unbefristete Stellen haben, können wir irgendwann keinen Nachwuchs mehr aufnehmen."

Daneben setzten die Unis aber natürlich auch auf die neuen Qualifikationsvereinbarungen, mit denen besonders qualifizierte Mitarbeitern bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (meist bestimmte Publikations- und Lehrleistungen, Einwerbung von Drittmitteln, Auslandsaufenthalt sowie Betreuung von Dissertanten) eine Laufbahnstelle und damit eine unbefristete Anstellung bekommen – am Ende stehe eine "assoziierte Professur". (APA, 2.7.2015)