Auch Adolf Hitler ging in Wagners Villa Kunterbunt ein und aus: Die Villa Wahnfried wurde um 20 Millionen Euro renoviert und um einen flachen modernen Glasbau ergänzt.

Foto: Richard-Wagner-Museum Bayreuth

Diesmal standen zwei Premieren in Bayreuth an. Eine oben auf dem Grünen Hügel, wo die bald allein herrschende Chefin Katharina Wagner ihre Tristan-Inszenierung präsentierte. Und am Tag drauf, unten in der Stadt, sozusagen bei ihrem Urgroßvater Richard daheim. Denn was eigentlich ins Wagnerjahr 2013 gepasst hätte, das ist jetzt vollbracht: Die Villa Wahnfried wurde wiedereröffnet. Zwanzig Millionen sind verbaut worden, allein die Stadt Bayreuth hat sieben davon beigesteuert.

Das Resultat kann sich sehen lassen. Schmuck und intelligent renoviert, durch einen Flachbau auf der einen und das einbezogene Siegfried-Wagner-Haus auf der anderen Seite erweitert, ist die Villa Wahnfried jetzt weit davon entfernt, das architektonische oder museale Ärgersheim zu sein, wie sie von Wagner selbst in den Jahren ihrer Errichtung von 1872- 1874 betitelt wurde. Und dass eine ehrfürchtig angeleuchtete Büste des Meisters im sakral anmutenden Untergeschoß unter dem halbrunden Erker des großen Saals vor einem güldenen Vorhang schwebt und wie der Gralskelch im Parsifal der eingeschworenen Fangemeinde gleichsam Lebenskraft zu spenden scheint, das ist dann doch eher eine gelungene ironische Brechung, mit der dieses "Schatzkammer" genannte Refugium (in dem hauptsächlich Originalpartituren und Handschriften versammelt sind), den Umgang mit Leben und Werk des Bayreuther Helden augenzwinkernd abrundet.

Die Villa, die jetzt nur eingerahmt durch den Park (mit den Gräbern) und die Zufahrt wieder frei steht und umrundet werden kann, ist dem Leben und Werk des Meisters gewidmet. Man tut nicht so, als wäre es das aufgehübschte Original, sondern hat die Decken, Wände, farbigen Tapeten (Cosimas Lila Salon sieht wirklich so aus) sorgfältig – so weit es ging – rekonstruiert und originale Bilder, Gebrauchsgegenstände und Bücher präsentiert. Disneylike nachgebaut hat man nichts. Und bei der Zerstörung 1945 ist viel verlorengegangen. Aber es gibt Platzhalter, die weiß verhüllt sind, so als wären Richard und Cosima gerade mal für ein paar Monate in Italien. Die oberen Räume nehmen sich völlig zurück, prunken mit einem Originalsofa da, einer aufgeschlagenen Partiturskizze hier und informieren ohne didaktischen Übereifer über Lebens- bzw. Werkabschnitte.

Der flache, gläserne Neubau (in der Bauphase auch hier umstritten) steht genau auf der alten Grundstücksgrenze und unterstreicht damit den Solitärcharakter der Villa noch zusätzlich. Hier gibt es die erste Sonderausstellung, die sich naheliegenderweise mit dem Haus selbst befasst und einen schnell zu erfassenden Überblick vermittelt – samt dem aus Leipzig ausgeliehenen Kompositionsklavier Wagners. Im Untergeschoß wird mit Originalkostümen und Bühnenbildmodellen die Festspielgeschichte illustriert. Nun will man die Besucher zwar bewusst nicht führen (sprich gängeln), aber der Charme eines puren Schaudepots ist begrenzt. Die wenigsten haben zu jeder Jahreszahl auch die Inszenierung parat. Aber das kann man nachbessern.

Braune Vergangenheit

Die wichtigste inhaltliche Neuerung neben dieser architektonisch gelungenen Erweiterung des Richard-Wagner-Museums Bayreuth ist die Einbeziehung des 1893 errichteten Siegfried-Wagner-Hauses. Weil Richard Wagner eben auch der Autor der üblen Kampfschrift Das Judenthum in der Musik ist, sein Erbe in Deutschland mit Risiken und Nebenwirkungen behaftet war und seine Schwiegertochter Winifred lebenslang eine glühende Verehrerin Hitlers war, kommt man um eine offensive Auseinandersetzung mit den braunen Verstrickungen der Familie Wagner nicht herum.

Nun endlich gibt es im Siegfried-Wagner-Haus (das Siegfrieds Sohn Wieland nach dem Krieg hinter einer hohen Mauer verschwinden ließ, weil er die Altnazis, die bei seiner bis zu ihrem Tod 1980 hier lebenden Mutter Winifred verkehrten, nicht mehr sehen wollte) zwar Winifreds erhaltenes Speisezimmer, aber vor allem die so lange überfällige Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel der Familiengeschichte. Wer auf dem Grünen Hügel keine Karten bekommt (oder die Musik nicht mag) der kann unten in der Stadt seine eigene Wagner-Oper erleben. In drei Aufzügen, interaktiv. Und vollklimatisiert! Da schlägt die Villa Wahnfried das Festspielhaus um eine ganze Epoche. (Joachim Lange, 4.8.2015)