Es folgt ein Blogpost zur Konferenz der International Association for Feminist Economics in Berlin. Bei diesem Roundtable bei der IAFFE-Konferenz ging es um "Unpaid Work and the New Development Agenda". Zunächst gab Valeria Esquivel (UN Research Institute for Social Development) einen Überblick über den Stand der Care-Debatte in einem globalen Kontext. Je nachdem kann der Kontext sehr unterschiedlich sein, und dabei besteht immer auch die Gefahr, aneinander vorbei zu reden.

Im Westen ist zum Beispiel manchmal von einem "Recht auf Care" die Rede, und damit ist nicht nur das Recht gemeint, bei Hilfsbedürftigkeit versorgt zu werden, sondern auch das Recht darauf, Care-Arbeit an Freund_innen und Familienangehörigen zu leisten, ohne dass ein Zwang, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen und nach Bedarf Erwerbsarbeit zu leisten, das unmöglich macht. Dieses "Recht auf Care" ist jedoch in Kontexten, wo von Frauen ganz selbstverständlich erwartet wird, dass sie die Care-Arbeit leisten, nicht unbedingt einsichtig, weil Care dort noch viel mehr eine Folge von "social obligations" ist. Frauen haben gar nicht die Möglichkeit, diese Arbeit abzulehnen. In solchen Kontexten stünde daher eher das Recht, "not to care" auf der Agenda.

Care Arbeit als zentraler Bestandteil von Ökonomie

Ein weiteres Problem ist, dass der Begriff Care sich zwar im feministisch-ökonomisch-aktivistischen Kontext inzwischen etabliert hat, aber noch nicht generell geläufig ist. Gleichzeitig ist es aber kein Fremdwort, sondern ein Wort aus der Alltagssprache, was für die Vermittlung der politischen Bedeutung dahinter gleichzeitig eine Stärke wie auch eine Schwäche ist. Viele Frauen, die Care-Arbeit leisten, würden das selbst nicht so bezeichnen, und sie würden sich auch in dem ökonomischen Konzept nicht unbedingt wiedererkennen. Gleichzeitig gibt es Arbeiten, die eindeutig von allen spontan als "Care" erkannt werden – etwa die von Krankenschwestern –, aber dadurch entsteht dann wiederum ein recht enges Verständnis von dem, was das Konzept "Care" umfasst. Allerdings ermöglicht der Begriff durchaus in den unterschiedlichsten Kontexten "cross-reference conversations".

Für den internationalen Diskurs identifizierte Esquivel drei Aspekte: Recognition, Reduction und Redistribution. Es müsse dafür gesorgt werden, dass Care Arbeit als zentraler Bestandteil von Ökonomie zunächst einmal erkannt und anerkannt werde. Dann sei zu überlegen, wo diese Arbeit reduziert werden kann (In vielen Bereichen fehlt es dabei an Infrastruktur und Technologie, zum Beispiel wenn Wäsche mit der Hand gewaschen werden muss oder wenn es keine angemessene Ausstattung von Krankenbetten gibt usw.). Und schließlich gehe es um die Umverteilung, und zwar nicht nur von Frauen zu Männern, sondern auch zwischen privaten Haushalten und öffentlichen Einrichtungen und vor allem zwischen Arm und Reich.

Auch in diesem Panel war Corina Rodgriguez-Enriquez dabei (vgl. voriger Blogpost), die bei der FFD3-Konferenz in Addis Abeba für eine feministische entwicklungspolitische NGO Lobbyarbeit geleistet hatte. Leider sei in dem Abschlusspapier dort keinerlei Bezugnahme auf unbezahlte Care-Arbeit aufgenommen worden, in puncto "Recognition" sei also nichts erreicht worden. Allerdings sei das Thema indirekt verhandelt worden, etwa wo es um die (zu steigernde) Erwerbsbeteiligung von Frauen ging. Es gebe jedoch einen Trend in der Entwicklungspolitik, Lösungen nicht mehr von Staaten, sondern von der Privatwirtschaft zu erwarten. Auch die "Frauenfrage" werde heute nicht mehr unter "Menschenrechte", sondern unter "smart Economics" subsumiert, und das betreffe auch Care.


Genau das wiederum fand aber die dritte Panelistin, Xiao-Yuan Dong von der Universität Winnipeg, gar nicht schlecht. Sie verwies darauf, dass zum Beispiel bei der chinesischen Regierung alles, was unter dem Label "Menschenrechte" läuft, aufgrund der dauernden Kritik des Westens von vorneherein auf Misstrauen stößt. Wenn hingegen die Förderung und Einbeziehung von Frauen und das ungelöste Problem der Care-Arbeit als ein Aspekt von "Smart Economics" klassifiziert werden, erhöhe das die Wahrscheinlichkeit, bei maßgeblichen Akteuren in China auf offene Ohren zu stoßen.

Eine typisch westliche Gewohnheit sei es auch, Abschlussdokumente internationaler Gremien und Konferenzen immer sehr kritisch daraufhin abzuklopfen, was nicht darin steht, so Dong. Das liege wahrscheinlich auch daran, dass es in westlichen Demokratien sehr leicht ist, als NGO alles Mögliche zu fordern und die Regierungen scharf für ihre Versäumnisse zu kritisieren.

Unter den politischen Bedingungen einer Diktatur wie in China sehe politischer Aktivismus aber anders aus: Hier sei es wichtig, sich auf die in solchen Dokumenten festgehaltenen (und von der Regierung unterschriebenen) Passsagen zu beziehen, denn dann hat die eigene Intervention nicht die Form einer "Kritik an der Regierung" (was in Diktaturen problematisch ist), sondern die Form eines Engagements, das die Regierung dabei unterstützt, ihre eigenen Ziele zu erreichen.