Die Sozialdemokratie ist in Gefahr", warnt der ehemalige Delegationsleiter im EU-Parlament, Jörg Leichtfried. Sie werde nur noch als "Bewahrerin der alten Zeit" wahrgenommen. Aber nicht einmal diese Rolle könne sie zufriedenstellend ausfüllen, weil sie natürlich nicht mehr in der Lage sei, die Errungenschaften der Sozialdemokratie im Gemeinwesen, in der Arbeitswelt, im Sozial-, Gesundheits- oder Bildungssektor zu konservieren.

Neoliberale, Konservative und Rechtspopulisten graben den Sozialdemokraten das Wasser ab und lassen sie alt ausschauen. Weil sie im Gegensatz zur Sozialdemokratie – inhaltliche und ideologische Fragestellungen einmal beiseitegelassen – Veränderung signalisieren. Dass ein Sonderparteitag, auf dem sich die SPÖ neue Inhalte verpasst, um wettbewerbsfähig zu bleiben, noch viel nützen wird, ist ein frommer Wunsch Leichtfrieds.

Die Strukturkrise sitzt zu tief. Die Sozialdemokratie hechelt, mit schwerem ideologischem Gepäck am Rücken, seit Jahren den gesellschaftlichen Entwicklungen hinterher. Sie ist inhaltlich zu müde, um auf drängende Fragen der Gegenwart befriedigende Antworten zu geben. Hat Ralf Dahrendorf – verspätet – vielleicht doch recht? Der deutsch-englische Soziologe und Politiker proklamierte vor mehr als 30 Jahren, Anfang der 1980er-Jahre, das "Ende des sozialdemokratischen Zeitalters". Um dies zu verhindern, braucht es gewiss mehr als einen Sonderparteitag. (Walter Müller, 2.9.2015)