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Die Schauspielerin Emma Watson bewirbt die Kampagne #HeForShe, deren Symbol schnell ans Revers geheftet ist.

Foto: Evan Agostini/Invision/AP

"Wer Frauen diskriminiert, ist kein Mann, sondern ein Feigling!" – das ist doch mal eine Aussage. Und welche Frauenrechtlerin oder welcher Frauenrechtler hat sich mit diesem Satz aus dem Fenster gelehnt? Genau: Kai Diekmann.

Der selbsternannte "Babo der Bild-Zeitung" hielt sich zunächst in einer für ihn ziemlich vermurksten Woche twitterwirksam ein Schild der von der UN initiierten #HeForShe-Kampagne vor die Brust. Anschließend rückte er mit dem FC St. Pauli einen Fußballklub in die AfD-nahe Ecke, der deutschlandweit für linke Solidaritätsaktionen und Flüchtlingshilfe bekannt ist. Und zwar, weil der Club sich weigerte, sich von der "Bild"-Zeitung für eine flüchtlingsbezogene Publicity-Aktion vor den Karren spannen zu lassen. Zum Schluss entschloss er sich noch "aus Versehen", der Wochenzeitung "Die Junge Freiheit" zu folgen, die sich selbst als Sprachrohr der Neuen Rechten versteht.

Und es scheint nicht besser zu werden: In der juristischen Auseinandersetzung um die von Diekmann verantwortete Berichterstattung über den Kachelmann-Prozess ist die "Bild" zu einer Schadensersatzsumme von über einer halben Million Euro verurteilt worden.

Permanente Darstellung sexistischer Inhalte

Man kann das Ganze natürlich als die medialen Gebaren des Chefs einer sehr wirkungsmächtigen Boulevardzeitung abtun, der in seinen Bemühungen, erfolgreichen Kampagnenjournalismus zu betreiben, deutlich danebengegriffen hat. Sich angesichts der permanenten Darstellung sexistischer Inhalte in der selbst verantworteten Zeitung mit feministischen Positionen zu inszenieren, kommt nicht wirklich gut an.

Man kann es aber auch als Versuch sehen, Inhalte, für deren Umsetzung Menschen jahrzehntelang gestritten und gekämpft haben, bis zur beinahe vollständigen Unkenntlichkeit zu entleeren, um sie sich anschließend als Zeitgeistlabel ans Revers zu heften. Davon könnte man ja profitieren.

Wenn weite Teile der Zivilgesellschaft Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen, lohnt es sich vielleicht, nicht länger gegen "kriminelle Ausländer" zu hetzen. Und so ein bisschen Fame bei einer erfolgreichen Kampagne abzugreifen (der Babo versteht das schon) erschließt möglicherweise ganz neue Leserschichten. Ein bisschen dafür sein. Also immer noch mit "Bild"-Girl und der Möglichkeit, dem "journalistischen" Thema Brustvergrößerung zu folgen, aber trotzdem Gleichberechtigung dufte finden. Oder zumindest so tun als ob. Muss ja. Was sollen sonst die Leute sagen.

Praktizierter Etikettenschwindel

Muss man sich wirklich darüber aufregen? Gut, es ist zutiefst verlogen und bigott. Soll ja vorkommen. Aber zugleich spricht es doch dafür, dass zumindest Splitter von feministischen Kernforderungen so weit in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, dass selbst Menschen, die eine gänzlich andere Meinung vertreten, sie zur Sicherheit ein wenig mitgemeint haben wollen. Ist das nicht auch Grund zu Freude?

Leider nicht. Denn diese Form des praktizierten Etikettenschwindels ermöglicht es, im Windschatten von einst dezidiert feministischen Forderungen ganz andere Thesen zu formulieren und Forderungen durchzusetzen. Gerade wurden für eine Anhörung im sächsischen Landtag zur Umsetzung eines Bildungsplans für sexuelle Vielfalt Birgit Kelle und Bettina Röhl als Expertinnen nominiert. Kelle von der CDU, Röhl von der AfD.

Zur Erinnerung: SPD und CDU hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, diesen Bildungsplan umzusetzen, nicht ihn zu torpedieren. Beide Frauen haben bei diversen Gelegenheiten bekundet, dass sie sich von sexuellen Minderheiten verfolgt fühlen, und finden, dass diese die Mehrheit nicht mit ihrem legitimen Bedürfnis nach Akzeptanz, Repräsentation und Gleichberechtigung belästigen sollten.

Beide werden bei dieser Gelegenheit aller Wahrscheinlichkeit nach wieder erklären, dass sie für die Rechte von Frauen eintreten. Birgit Kelle wird ergänzen, dass sie für einen "neuen Feminismus" steht. Vielleicht lässt Kai Diekmann einen wohlwollenden Bericht darüber veröffentlichen. So macht man das heute. (Nils Pickert, 1.10.2015)