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"Die Kinder dürfen erzählen, aber sie müssen nicht", sagt Psychotherapeutin Barbara Preitler.

Foto: apa/Kastl

Wien – Mit 8.000 schulpflichtigen Flüchtlingskindern rechnet das Bildungsministerium für dieses Jahr. Sobald sie als Asylwerber in die Grundversorgung aufgenommen worden sind, sitzen sie als außerordentliche Schüler in den österreichischen Klassen. Wie Pädagogen mit Kindern umgehen sollen, die eine hunderte Kilometer lange Flucht aus Kriegsgebieten hinter sich haben, wird derzeit in mehreren Tagungen und Workshops an den Pädagogischen Hochschulen (PH) behandelt. "Das Wichtigste ist, den Kindern möglichst schnell eine normale Struktur zu geben", sagt die Psychotherapeutin Barbara Preitler.

Preitler arbeitet für Hemayat, ein Betreuungszentrum für Folter- und Kriegsüberlebende, und wird am 12. November bei einer Lehrerkonferenz der Pädagogischen Hochschule Wien anlässlich der Flüchtlingssituation über Auswirkungen von Traumatisierungen bei Kindern und Jugendlichen sprechen. Man könne davon ausgehen, dass jedes Kind, das aus einem Kriegsgebiet geflüchtet ist, seelische Verletzungen davongetragen habe, sagte die Psychotherapeutin zum STANDARD. Wie alle traumatisierten Menschen hätten auch Kinder ein hohes Ruhebedürfnis und würden viel Sicherheit brauchen. Die Schule sei der ideale Rahmen, da hier Strukturen klar vorgegeben würden.

Keine eindringlichen Fragen stellen

Trotzdem bräuchten Lehrer eine Art Basisschulung darin, was Pädagogen im Umgang mit traumatisierten Schülern vermeiden und was sie fördern sollen. So sollten sie etwa nicht zu eindringliche Fragen zur Lebensgeschichte stellen. "Die Kinder dürfen erzählen, aber sie müssen nicht." Oft seien Fragen nach dem genauen Heimatort oder nach den Eltern sehr belastend, wenn damit Kriegserlebnisse verbunden werden oder ein Elternteil im Krieg gestorben ist. Wenn trotzdem bestimmte Fragen aus administrativen Gründen notwendig seien, müssten die Lehrer diese Gründe transparent machen, sagt Preitler. "Man sollte ihnen das Gefühl geben, dass sie die Kontrolle haben."

Helfen könnten Pädagogen ihren Schülern einfach, indem sie eine normale Beziehung zu ihnen aufbauen. Kriege seien ja durch Menschen verursacht, und für traumatisierte Schüler sei es wichtig zu sehen, "dass Menschen auch gut sein können".

Mehr investieren

Um den Großteil der Flüchtlingskinder müssten sich Lehrer wohl nicht extra kümmern, sagt die Psychotherapeutin. Wenn bei manchen Schülern schwere seelische Verletzungen vorliegen, würde sich das etwa durch aggressives Verhalten oder totalen Rückzug äußern. Dann könnten sich die Pädagogen entweder an den Schulpsychologischen Dienst oder Vereine wie Hemayat wenden. "Wobei grundsätzlich mehr in die Schulpsychologie investiert werden sollte", sagt Preitler. Konferenzen wie jene in Wien könnten nur der Anstoß für weitere Angebote für Lehrer und Schüler sein.

Auch Lehrergewerkschafter Paul Kimberger forderte am Donnerstag im Ö1-"Mittagsjournal" mehr Pädagogen und Psychologen für die Schulen. Das sei angesichts der steigenden Zahlen an Flüchtlingen notwendig.

Bundeszentrum für Interkulturalität

Neben Konferenzen, die auch in anderen Bundesländern abgehalten und wo etwa auch rechtliche Grundlagen von Asyl und Sprachförderung vermittelt werden, bieten die PHs auch Workshops zu interkulturellem Lernen an; meistens geht es dabei aber um Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache und nicht um den Umgang mit Traumatisierungen. Das 2013 gegründete Bundeszentrum für Interkulturalität, Migration und Mehrsprachigkeit der Pädagogischen Hochschule Steiermark sammelt derzeit zudem alle Aktivitäten in dem Bereich, um eine Vernetzung zu verstärken. (Lisa Kogelnik, 29.10.2015)