B wie Bildungsreform. Groß? Oder doch klein? Weil sich die große Koalition intern, aber vor allem mit den neun Bundesländern nur auf einen begrenzten Reformumfang einigen kann? Antwort am Dienstag.

Foto: Standard/Christian Fischer

Bild nicht mehr verfügbar.

"Jetzt wird es zwei, drei sehr lange Nächte geben. Wie in der Schule, wenn man lange nichts gelernt hat", glaubt Bildungsexperte Andreas Salcher.

Foto: APA

Wien – Ein Punkt auf der koalitionären Krisenagenda wurde am Freitag abgehakt: "Der Zaun", der keiner sein soll, ist nun doch einer, aber ein kurzer, der die Flüchtlinge an der slowenisch-steirischen Grenze "leiten" soll.

Auch an einer anderen Grenze, jener zwischen Bund und Ländern, drohen SPÖ und ÖVP sich zu verheddern. Bis Dienstag – da soll die Bildungsreform vorgelegt werden – muss geklärt sein, wer künftig alle 120.000 Lehrerinnen und Lehrer verwalten soll. Der Bund zentral, jedes der neun Länder auf eigene Tour oder irgendein Modell dazwischen.

Auf den letzten Metern sind noch hohe Hürden zu nehmen, am Wochenende und am Montag sind hochrangige, langwierige Verhandlungsrunden angesetzt. Vermutlich werden auch Kanzler und Vizekanzler dazustoßen müssen.

Derzeit untersteht die Pflichtschullehrerverwaltung den Ländern, die Bundeslehrer dem Bund, der aber alle finanzieren muss und nur sehr eingeschränkte Einsicht hat. Nicht nur der Rechnungshof kritisiert das Auseinanderfallen von Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung.

Wohlschmeckend

Vor allem schwarze Landeshauptleute (der Salzburger Wilfried Haslauer ist Verhandler) setzen die ÖVP mit Verländerungswünschen unter Druck. Auch dem Niederösterreicher Erwin Pröll würde diese Variante schmecken.

Über der Machtfrage schweben finanzielle Argumente: Laut Experten des Bildungsressorts könnten bei einer zentralen Bundesverwaltung 470 Millionen Euro eingespart werden. Land Salzburg und das von Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich getragene Institut für Föderalismus nennen 20 Millionen Euro Verbilligung durch "Verländerung" aller Lehrer.

Allerdings, darauf wies das Institut für Höhere Studien hin, rechnen die Föderalisten mit Verwaltungskosten, das Ministerium jedoch mit Ausgaben für Lehrer pro Schüler. Und da seien die in den Ländern, die jetzt selbst verwalten, im Schnitt um 3,5 Prozent teurer als der Österreich-Schnitt, während jene, für die der Bund mitverwaltet, um 2,4 Prozent billiger waren.

Wie in der Schule, wenn man lange nichts gelernt hat

Einer, den ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner als Bildungsexperten hinzugezogen hat, findet: "Die Macht im Schulsystem gehört weder auf Landes- noch auf Bundesebene. Sie gehört an die Schule, zum Direktor. Und der wird durch die Bildungsstandards kontrolliert." In der Arbeitsgruppe sitzt Andreas Salcher nicht, er prophezeit den Verhandlern aber: "Jetzt wird es zwei, drei sehr lange Nächte geben. Wie in der Schule, wenn man lange nichts gelernt hat."

Eines ist sicher: Auch wenn am Ende ein zwar umfangreiches Papier herauskommt, das die wirklich heiklen Fragen womöglich wieder vertagt: Dann beginnt die Debatte über die Kosten. Der Finanzminister wurde in die bisherigen Verhandlungsrunden noch gar nicht miteinbezogen.

Andreas Salcher hat bereits einige Rechnungen angestellt. Auch wenn er "der Letzte" ist, "der sagt, wir müssen im Bildungssystem einsparen. Aber wir müssen gewaltig umschichten." Stichwort Klassenschülerhöchstzahl, eine "wahnsinnig populäre" Maßnahme, zeitgleich ein "gewaltiger Kostentreiber": 332 Millionen würden pro Jahr dafür aufgewendet, damit nicht mehr als 25 Schüler in jeder Klasse sitzen. Dabei habe nicht zuletzt die Hattie-Studie (eine Meta-Bildungsstudie) gezeigt: Bringt kaum etwas für den Lernerfolg! Außer man senkt die Schülerzahl auf zwölf pro Klasse. Stichwort Lehrerdienst- und Besoldungsrecht: Hier spricht sich Salcher für eine Jahresarbeitszeit aus "und die muss zur Gänze in der Schule erbracht werden".

Saisonales Bildungssystem

Im Standard-Gespräch erklärt er: "In Wahrheit haben wir mit dem Halbtagsschulsystem und den drei Monaten Ferien nur ein saisonales Bildungssystem." Spätestens in "vier, fünf Jahren" sei das derzeitige System "absolut unfinanzierbar". Daher gilt Salchers größte Sorge dem Zeitplan. Zur Erinnerung: Die Regierung hat sich einen Umsetzungshorizont von zehn Jahren gesetzt. Salcher: "Ich glaube, dass wir diese zehn Jahre nicht mehr haben." Andererseits: "Meine große Hoffnung ist, dass ihnen das Geld ausgeht" – und es damit zu echten Reformen kommen muss. (Lisa Nimmervoll, Karin Riss, 15.11.2015)