Wien – Auch die Wissenschaft kennt Moden. Begriffe bekommen auf einmal viel Aufmerksamkeit. Man spricht von einem neuen Diskurs, einem Paradigmenwechsel oder "turn". Aktuell hat der Begriff "Mobilität" Konjunktur. "Die Idee, dass Sesshaftigkeit Norm ist und Bewegung eine Abweichung, stimmt nicht", sagt Alev Cakir. "Seit es Menschen gibt, gibt es Mobilität." Interessant sei, zu fragen, warum gerade jetzt ein Hype um den Begriff entstehe.

Die Politikwissenschafterin ist Prädoc-Mitarbeiterin von "Mobile Kulturen und Gesellschaften", einer von 20 geförderten Forschungsplattformen der Universität Wien. Diese laufen über maximal sechs Jahre und erlauben die Kooperation verschiedener Institute und somit die interdisziplinäre Bearbeitung eines Themas.

"Mobile Kulturen und Gesellschaften" umfasst Politikwissenschaft, Afrikanistik, Internationale Entwicklung, Germanistik und Theater-, Film- und Medienwissenschaft. "Der Anspruch ist nicht, Mobilität homogen zu beschreiben, sondern sehr genau hinzuschauen", sagt die Filmwissenschafterin Viktoria Metschl, die ebenfalls eine Prädoc-Stelle bei der Plattform hat. Die Aufgabe sei, das Phänomen auszudifferenzieren und seine verschiedenen Formen sichtbar zu machen. Metschl forscht im Projekt "De lokalisation, Figuration, Archiv" über algerischen Film.

Innere Wissenschaftskritik

"Was Mobilitätsforschung ausmacht, ist der Fokus auf Bewegung", sagt Katharina Fritsch, die in Politikwissenschaften promoviert und ebenso als Prädoc-Mitarbeiterin über Mobilität forscht. Darin sei auch eine Wissenschaftskritik enthalten, nämlich gegenüber Methoden, die allein auf die Beschreibung von Statischem und Festgelegtem abzielen.

Die drei Nachwuchswissenschafterinnen sehen einander regelmäßig bei Arbeitstreffen der Plattform, an denen auch alle beteiligten Professoren und Professorinnen teilnehmen. "Bei diesen Treffen verschwimmen die Hier archien", erzählt Fritsch. Das Format Forschungsplattform hinterfrage damit die Paradigmen, wie Forschung zu funktionieren hat. "Durch den Austausch sieht man, in welcher Weise die Disziplinen konstruiert sind."

Interessanter Austausch

Auch für Cakir ist dieses "Feilen an der eigenen Disziplin" das interessanteste am Austausch. "Es stellt sich die Frage: Was macht mich als Politikwissenschafterin aus?" So müsse Mobilität auch in der Wissensproduktion mitgedacht werden. Zu beachten sei auch, auf wen der Begriff angewandt wird, gibt Fritsch zu bedenken: "Wieso bin ich als Akademikerin im Ausland ‚mobil‘ und eine andere Person 'Migrantin'?"