Wien – Die Regierung steht bei ihrer Bildungsreform vorerst ohne Verfassungsmehrheit da. Grünen-Bildungssprecher Harald Walser hat sich bei einer Pressekonferenz am Mittwoch zwar verhandlungsbereit gezeigt, gleichzeitig aber Bedingungen gestellt – allen voran großzügigere Modellregionen bei der Gesamtschule und die "Entpolitisierung" der Bildungsdirektionen.

Für die Umsetzung der Bildungsreform – zumindest für die neuen Bildungsdirektionen und die Modellversuche zur Gesamtschule – braucht die Regierung eine Verfassungsmehrheit und damit die Zustimmung von FPÖ oder Grünen. FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz schloss am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal" aus, dass die Freiheitlichen mitstimmen, wenn ihnen einzelne Punkte nicht passen. Den Vorschlag zur Schulverwaltung lehne die FPÖ etwa ab. Das Team Stronach hat eine Zustimmung ausgeschlossen. Die Neos sind zwar verhandlungsbereit, haben aber nicht genügend Mandate.

Grüne: "Noch viel Lyrik"

Der grüne Bildungssprecher Walser sagt: "Wir sind bereit, auch Dinge mitzutragen, die nicht unsere 100-prozentige Zustimmung haben." Entscheidend sei aber das "Gesamtpaket". Und das enthalte derzeit noch "viel Lyrik, wenig Substanz und keinen Mut". Die Grünen würden sich als "beinharte Verhandler" erweisen wollen.

Dass Gesamtschulversuche maximal 15 Prozent der Schulen eines Bundeslands erfassen sollen, ist den Grünen zu wenig. Insbesondere bei kleinen Bundesländern wie Vorarlberg, wo die Landesregierung ein Modellprojekt starten möchte, reiche das nicht aus. "Es muss möglich sein, dass Bundesländer zu Modellregionen werden", sagt Walser.

Abschaffung schulautonomer Tage

Außerdem fordert Walser die "Entpolitisierung" der Schulverwaltung, ein Jahresarbeitszeitmodell für Lehrer statt der "Erbsenzählerei" bei den gehaltenen Stunden und die Abschaffung der schulautonomen Tage. Parallel zur gestärkten Schulautonomie müsse es auch mehr Mittel geben, etwa für Schwerpunktsetzungen: "Wenn Schulautonomie zur Mängelverwaltung verkommt, werden wir nicht zustimmen können."

Neos: Vision fehlt

Nikolaus Scherak, stellvertretender Klubchef der Neos, geht davon aus, dass "vieles nicht so kommen wird, wie es gestern präsentiert wurde". Von einer Vision sei jedenfalls kaum etwas zu bemerken, daher glaubt er auch nicht, dass man etwa die aus Neos-Sicht zentrale umfassende Schulautonomie noch hineinverhandeln kann. Trotzdem sei man zu Gesprächen bereit.

Angesichts der Tatsache, dass es für manche Änderungen eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat brauche, seien aufgrund der Mandatsverhältnisse nun die Grünen der logische erste Ansprechpartner der Regierungsparteien, sagt Scherak. Die Grünen könnten etwa statt der geplanten 33 Prozent, die dann beispielsweise AHS-Unterstufen vom Lehrplan abweichen dürften, "38 oder 39 Prozent herausverhandeln". Eine substanzielle Änderung wäre das freilich nicht. An solchen "Stellschrauben zu drehen" macht aus Scheraks Sicht wenig Sinn.

Team Stronach lehnt Vorschläge ab

Das Team Stronach will der Bildungsreform auf keinen Fall zustimmen. Vor allem die Pläne zu den Modellregionen für die gemeinsame Schule sind laut Klubchef Robert Lugar eine "gefährliche Drohung", wie er es am Mittwoch bei einer Pressekonferenz nannte. Vorstellen kann er sich lediglich, einzelne Punkte der Reform herauszugreifen und umzusetzen. Es fehlten notwendige Schritte zur Entmachtung der Bundesländer.

Der Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) wirft Lugar ideologische Gründe für das seiner Meinung nach verfehlte Bildungskonzept vor. "Ich weiß, die Ministerin hat es nicht leicht", gestand er ihr im Hinblick auf die Bundesländer-Vertreter als Verhandlungspartner aber auch zu. Das Team Stronach will nun "mit allen Mitteln" gegen die Reform ankämpfen, denn: "Das sind nordkoreanische Drohungen." (APA, red, 18.11.2015)