Im Videodreh will man seine Beziehung zu "Zisi" aufarbeiten.

Foto: Anna Stöcher

Wien – "Liebt eure Volksvertreter", ruft Ed. Hauswirth im Theater an der Gumpendorfer Straße auf. Denn sie haben es nicht leicht, ergänzt sein gleichnamiges, am Freitag uraufgeführtes Stück. Nicht bloß politisch, wie man sehen kann, wenn man dieser wie eh alle Tage den Fernseher einschaltet oder die Zeitung aufschlägt, sondern auch privat.

Für diese Volksvertreterin aber ist es zu spät. Heimorgelmusik wabert mit dem seltsamen Charme selbstgemachter Feierlichkeit durch den Raum, rote Läufer und Sträuße weißer Lilien flankieren die Szene. Franziska ist tot. An die rückwärtige Bühnenseite gelehnt, das Parlament im Genick, lächelt sie (Petra Strasser) uns von einem Plakat sendungsbewusst entgegen: offen, freundlich, demokratisch. So geht (linke) Politik!

Ein buntes Grüppchen von fünf Menschen hat sich auf der Kellerbühne vor ihr versammelt – wir wohnen nicht nur ihrer Trauerfeier bei, sondern auch einem Versuch: Am Cocktailtischchen schenken die Gäste einander in verzweifelter Heiterkeit Champagner ein, um sich den Mut anzutrinken, den es braucht, der Toten in den nächsten 100 Minuten privat wie politisch auf die (aus der Bahn geratene) Spur zu kommen.

Spurensuche mit Schampus

Dafür hat Hauswirth, im Vorjahr mit dem Nestroy-Theaterpreis für die beste Off-Produktion an ebenjenem Spielort ausgezeichnet, einen Trick gewählt: die Überblendung. Franziska entspricht darin Erwin/Elvira, die Transsexuelle aus Rainer Werner Fassbinders In einem Jahr mit 13 Monden (1978), die für einen Mann ihr Geschlecht gewechselt hat und trotzdem nicht die Liebe bekommt, die sie will: Wie weit kann man sich verbiegen, bis man daran zerbricht?

Mit einer Videokamera ausgestattet lässt Hauswirth sein Ensemble einzelne Filmsequenzen nachstellen, anhand deren es mit entsprechend kurioser Kostümage und neuen, eigenen Texten nun nach und nach seine Beziehungen zu ihr ausbreitet. In Echtzeit auf die Leinwand über der Bühne projiziert, erweisen sich jene als wechselhaft bis problematisch:

Zum Mann, von dem sie am Ende getrennt war (Georg Schubert), zur Ziehtochter (Elisabeth Veit), von der sie immer eine emotionale Mauer getrennt hat, zur Freundin (Michaela Kaspar), die sie immer wieder aufbauen wollte, zum sozialverträumten Jungidealisten (Raphael Nicholas), den sie aus dem Kampagnenteam geworfen hat, und zum altgedienten Weggefährten (Jens Claßen).

Ambivalenz aushalten lernen

Trost findet die liebevoll auch "Zisi" Genannte zwischen Bierzeltauftritten, den Mühen des politischen Tagesgeschäfts und öffentlichem Ausgestelltsein stattdessen im Bett des "rechten" Feindes Jon (Julian Loidl). Sexistisch, antifeministisch und anti Flüchtlinge wie er ist, scheint das allen rundum unvereinbar. Diese mangelhafte "Fähigkeit, Ambivalenz zu tolerieren", treibt sie schließlich in den Tod.

Zeitgenössisches Volkstheater über die österreichische Identität will Hauswirth machen. Auch diesmal nicht ohne (vor allem am Ende zündende) Komik – bloß hält der Spannungsbogen der etwas losen Eindrücke leider nicht ganz so lange durch. Statt abseits von ein paar erwartbaren Gemeinplätzen tiefer zu gehen, widmet man sich lieber dem Technikschnickschnack und Hickhack. (Michael Wurmitzer, 22.11.2015)