Wien – Mit dem defekten Verhältnis zwischen Glauben und Wissen haben zwei Performances im Wiener Werkstätten- und Kulturhaus (Wuk) zu tun. Die eine, Far-Flung's Future der aus Wien stammenden New Yorker Künstlerin Ursula Endlicher, war am Wochenende zu sehen. Die andere, A Matter of Belief des schwedisch-österreichischen Choreografen Alexander Gottfarb, kann jetzt in ihrer Entstehungsphase, die ab 9. 12. in ein 72-stündiges Performanceereignis mündet, mitverfolgt werden.

Endlichers Arbeit wurde im Rahmen des aktuellen Projekts Social Glitch des Kunstraums Niederösterreich gezeigt: als kritische Reflexion der Glaubensbeziehung zum Computer. Gottfarb hingegen testet glaubensaffirmative Körperrituale, die unseren Alltag durchziehen wie Fett einen Rostbraten.

Zum Thema passt der Spruch "Glauben heißt nichts wissen" – die populäre Ablagerung eines Satzes Friedrich Nietzsches (dem das Tanzquartier Wien diese Woche huldigt) aus dessen Buch Der Antichrist: ",Glaube' heißt Nicht-wissen-wollen, was wahr ist." Das passt zwischen Endlichers und Gottfarbs Positionen wie vor Jacques Rancières Glauben an einen "unwissenden Lehrmeister" und den Glaubensabfall vom Begriff des Wissens, wie ihn Paul Virilio in Die Universität des Desasters darstellt.

Leerlaufende Informationen

Endlicher nimmt mit ihrer choreografierten Technoschrottinstallation die Neurosen des Digitalfundamentalismus im "Global Village" aufs Korn: Projektionen, Sounds und Live-Gestalten irren durch eine bizarre Installation, in der leerlaufende Informationen geschreddert werden. In der Mitte leuchtet eine für das umherwandernde Publikum unzugängliche Tempel-Cella, in die sich die Performer ab und zu kurz flüchten: Sie verkörpern eine CPU, einen Image-Carrier und zwei App-Dämonen.

Bodenmarkierungen signalisieren: Wir stehen auf einer stilisierten Platine, dem Sinnbild für eine Ordnung, die einst Bereicherung versprach und jetzt ihre glaubensseligen "User" gnadenlos ausplündert. Dem stellt Gottfarb organische Muster von analoger Zeit- und Körperlichkeit entgegen. Aber auch das wird wohl am Ende kein Spaziergang werden. (Helmut Ploebst, 23.11.2015)