Die Wahrheit ist bitter. Erst wenn den Ländern das Wasser bis zum Hals steht, wenn sie mit einer extremen Geldverknappung konfrontiert sind, beginnt sich am System etwas zu drehen. Dann werden plötzlich Synergien gehoben, Einsparungspotenziale und Effizienzen entdeckt. In Kärnten geht gerade ein solcher wundersamer Wandel vor sich – wenn auch vor einem wirklich dramatischen Hintergrund und der nicht mehr nur theoretischen Möglichkeit einer Insolvenz des Bundeslandes. Landeshauptmann Peter Kaiser muss man zugestehen, dass er diesen Abwehrkampf gegen die Pleite sehr engagiert, professionell und ohne großes Wehklagen über die Bühne zu bringen versucht.

Kärntens Nachbarland Steiermark zeigt ja gerade vor, wie man mit budgetären Problemen nicht umgehen soll. Auch hier ist die Finanzsituation alles andere als rosig, und dennoch genehmigte man sich eine neuerliche Neuverschuldung von mehr als 190 Millionen Euro, statt wie in Kärnten das System weiter zu reformieren. Wirkliche Einsicht bringt offenbar tatsächlich nur die Drohung vor der Pleite – auch in anderen Bundesländern.

Zurück nach Kärnten. Das Land nach den desaströsen Haider-Jahren politisch neu aufzustellen ist die eine Sache, das Problem der Hypo-Bad-Bank Heta loszuwerden die andere. Mit den 1,2 Milliarden Euro, die Kärnten über den Bundeskredit beisteuern will, und jenen vielleicht fünf bis sechs Milliarden Euro, die an Erlösen bei der Heta hereinkommen könnten, würde den Gläubigern eine Quote von maximal 50 bis 60 Prozent angeboten werden.

Ob Kärnten nicht noch mehr dazulegen kann, ist gar nicht so sehr die Frage, sondern ob die Gläubiger tatsächlich auf dieses Angebot einsteigen. Das ist tatsächlich fraglich, denn solange die theoretische Möglichkeit besteht, dass sie – eventuell über eine Bundeshilfe – zu ihren 100 Prozent kommen, werden sie kaum von der Maximalforderung herabsteigen. Warum auch? Die Gläubiger wissen: Der Bund ist zwar nicht zu einer Haftung für die Länder verpflichtet, kann aber nicht zulassen, dass ein Bundesland pleitegeht. Es hätte letztlich auch Auswirkungen auf die Bonität und die Finanzierung der anderen Länder und letztlich des Bundes. Auch wenn die Aussicht verlockend ist, 60 sichere Prozent für die Anleihen zu bekommen, werden sich viele Gläubiger schwerlich damit abspeisen lassen.

Wir werden sehr harte Pokerrunden in den nächsten Wochen mit gegenseitigen Drohungen erleben, aber wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, was der Ökonom Gottfried Haber für das realistischste Szenario hält: Der Bund gewährt Kärnten einen "sehr langfristigen" Kredit, mit dem das Land die Haftungen allein schultern kann.

Das schon jetzt in die Waagschale zu werfen mag verhandlungstaktisch kontraproduktiv sein. Es würde aber jahrelange Prozesse ersparen und der Kärntner Regierung ermöglichen, das Land, befreit von der lähmenden Angst vor der Pleite, rascher wieder wirtschaftlich aufzurichten. (Walter Müller, 27.11.2015)