Seit Monaten warnt der russische Außenminister Sergej Lawrow vor einer Nato-Erweiterung in Südosteuropa. Das sei "unverantwortlich" und würde ein System gleichberechtigter und geteilter Sicherheit unterlaufen. Selbst die russische Duma forderte das montenegrinische Parlament auf, von einer Erweiterung Abstand zu nehmen. Russland straft Montenegro bereits seit längerem wirtschaftlich für dessen prowestliche Haltung.

Dabei sieht sich Moskau wohl kaum durch den Nato-Beitritt eines Staates mit 625.000 Einwohnern gefährdet. Vergleichbar groß ist die Stadt Ischewsk in Udmurtien – und es gibt 18 Städte in Russland, die größer sind als dieses Ischewsk. Moskau sieht auch weniger seine Einflusssphäre gefährdet. Es geht eher um Verhandlungspotenzial in anderen Angelegenheiten. Seit dem Konflikt um die Ukraine hat Russland deshalb seine Balkanpolitik geändert.

Die Staaten Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Kosovo und Montenegro befinden sich in einer unklaren geopolitischen Stellung, weil sie nicht Teil der EU sind und es auf absehbare Zeit auch nicht werden. Aus dieser Situation versucht einerseits Moskau Kapital zu schlagen. Aber angesichts des EU-Erweiterungsstopps ist der Nato-Beitritt auch für die andere Seite zurzeit die einzige Möglichkeit, wenigstens ein paar westliche Vorstellungen zu verankern: Zumindest ein paar korrupte Politiker werden nun in Montenegro vor Gericht gebracht. (Adelheid Wölfl, 2.12.2015)