Anas Tissawi (32), Student an der FH Salzburg, hat sich für das Fach Tourismus entschieden, weil er hofft, damit einen Job zu finden.

Foto: FH Salzburg

Ich heiße Anas. Zu Österreichern sage ich immer: Ich bin die kleine Ananas. So können sie sich meinen Namen besser merken. Geboren wurde ich in Aleppo in Syrien, wo ich auch aufgewachsen bin und bis vor vier Jahren gelebt habe. Wegen des Krieges musste ich aber fliehen. Drei Monate habe ich in der Türkei verbracht, dann zwei Jahre in Griechenland, und später bin ich weitergezogen – über Mazedonien und Serbien hierher nach Österreich. Angekommen bin ich im September 2014 in Wien. Von dort aus hat man mich nach Traiskirchen geschickt. Zwei Wochen später wurde ich nach Ostermiething in Oberösterreich, versetzt, wo ich zurzeit lebe.

Für mein Studium pendle ich nach Salzburg, an die Fachhochschule. Seit Frühling bin ich dort als außerordentlicher Hörer im Master "Innovation and Management in Tourism" inskribiert. Seit Herbst als normaler, ordentlicher Student. Auf meiner Wunschliste stand immer schon, einmal in Deutschland oder Österreich zu studieren. Ich habe bereits in Syrien Deutsch gelernt und Bewerbungen an deutsche und österreichische Unis verschickt. Damals hat es leider nicht funktioniert. Der Vorteil: Meine Zeugnisse waren bereits alle übersetzt und beglaubigt, das war bei der Anmeldung an der FH nun ein Vorteil.

Wirtschaftsstudium in Syrien

In Syrien habe ich Business- Administration studiert und während meines Studiums ein kleines Restaurant geführt. Danach habe ich als Geschäftsführer einer Beratung gearbeitet.

Hier hätte ich ohne Zusatzqualifikationen vielleicht bei einem Kebab-Stand arbeiten können, aber das wollte ich nicht. Also habe ich mich informiert, in welcher Branche in Österreich Arbeitskräfte gesucht werden. Im Internet hieß es: Tourismus. Und ich wusste: Das ist das Fach, das ich studieren muss.

Das Lernen fällt mir zurzeit oft schwer. Das hat mehrere Gründe. Erstens wohne ich im Asylheim mit 45 anderen Personen zusammen. Da ist es manchmal laut, da wird diskutiert. Zweitens ist mein Studiengang auf Englisch. Das bedeutet, dass ich für den Lernstoff viel länger brauche, weil Englisch nicht meine Muttersprache ist. Drittens denke ich oft an meine Familie, die in Aleppo ist. Auch das lenkt ab. Ich verfolge die Nachrichten, in denen vom Krieg die Rede ist. Ich checke ständig mein Handy, um zu sehen, ob es etwas Neues gibt. Manchmal höre ich ein paar Tage lang nichts von ihnen. Dann ist die Konzentration sowieso dahin.

Leben in Ostermiething

Das Leben in Ostermiething gefällt mir. Die Leute sind großteils nett. Ich war Teil der ersten Gruppe von Asylwerbern, die hierhergekommen ist. Damals habe ich zu meinem Freund gesagt: Es ist wichtig, wie wir uns verhalten – weil es in den Köpfen der Leute als Verhalten von Asylwerbern bleiben wird. Wir sollten also auf die Leute zugehen und sagen: Wir sind hier, hallo, ich habe auch ein Gehirn, bitte sprich mit mir. Wenn wir miteinander reden, etwas miteinander unternehmen, verstehen wir einander.

Ich glaube, darin liegt der Schlüssel: Dinge einander zu erklären. Deshalb haben wir auch relativ bald nach unserer Ankunft ein Essen im Asylheim organisiert, bei dem wir syrische Spezialitäten serviert haben. Einige Bewohner aus Ostermiething sind gekommen und vier Stunden geblieben. Ich betreibe auch gemeinsam mit zwei anderen Syrern und drei Österreicherinnen einen Verein. Er heißt FAIRnetzung und finanziert sich über Spenden.

Integration als fifty-fifty-Angelegenheit

Wir wollen damit das Zusammenleben ein bisschen einfacher machen, eine Brücke schlagen. Wir organisieren jede Woche ein Treffen zwischen Asylwerbern und Einheimischen. Letztens haben wir zusammen ein Fußballmatch angeschaut, das ist ja quasi Teil der österreichischen Kultur. Außerdem halte ich gemeinsam mit meinem Freund Said einen Arabischkurs für Österreicher ab. Das funktioniert gut. Ich finde, Integration muss immer fifty-fifty ablaufen: Wir Neuankömmlinge können den ersten Schritt machen, aber dann braucht es auch Akzeptanz von der anderen Seite.

Seit dem 17. November habe ich Asyl. Das heißt auch, dass ich mir eine eigene Wohnung suchen muss. Ohne Geld wird das schwierig. Ob ich Studienbeihilfe oder Mindestsicherung bekomme, weiß ich noch nicht. Mein Plan ist, ab Frühling ein Semester lang mit meinem Studium zu pausieren, damit ich mir einen Job und eine Wohnung suchen und es dann wieder aufnehmen kann. Am liebsten würde ich in Salzburg leben, in der Nähe der Fachhochschule. (Protokoll: Lisa Breit, 4.12.2015)