Wien – Infolge von Zwischenergebnissen einer Studie zu islamischen Kindergärten in Wien ist die Stadt mit Vorwürfen – unter anderem Unentschlossenheit und mangelnde Kontrolle – konfrontiert. Prinzipiell wird in der Bundeshauptstadt die religiöse Ausrichtung einer Kinderbetreuungseinrichtung nicht erhoben. "Das kommt im Wiener Kindergartengesetz nicht vor", sagt Herta Staffa, Sprecherin der zuständigen MA 11 (Amt für Jugend und Familie). Dabei handelt es sich um eine Landesregelung.

Die Studie wird vom Institut für islamische Studien der Uni Wien unter der Leitung von Ednan Aslan erstellt. In einem ersten Zwischenbericht von Aslan hieß es, ein "großer Teil" der Kindergärten versuche, "einen wertvollen Beitrag zur Gesellschaftsfähigkeit der Kinder zu leisten und eine theologisch begründete Isolation zu vermeiden." Ein nicht gering zu schätzender Teil verfolge hingegen eine Form der religiösen Erziehung, die Kinder nicht auf die Gesellschaft vorbereite, sondern sie vor dieser zu schützen versuche. Aslan hat bisher lediglich 30 der geschätzten 150 islamischen Kindergärten untersucht.

Religiöse Erziehung sei in Wien seit 2003 – anders als etwa in Niederösterreich – nicht mehr Bestandteil des Gesetzestextes, heißt es von der MA 11. Insofern habe die Stadt auch keine Zahlen, wie viele christliche, jüdische oder islamische Kindergärten und -gruppen es gebe. "Religion ist ja an sich nicht verboten. Was wir nicht wollen, ist irgendeine Form des Unterrichts", sagt Staffa.

Keine Beschwerden

In erster Linie zähle das pädagogische Konzept. Dabei gehe es natürlich schon auch um eventuell problematische religiöse Inhalte. "Wir können aber nicht alles sehen und wissen nicht, was passiert, wenn wir zur Tür hinausgehen", so Staffa. Deshalb sei man auf Hinweise von außen angewiesen. Bisher habe man in Bezug auf islamische Einrichtungen – auch nach der jüngsten Berichterstattung – keinerlei Beschwerden erhalten: "Das hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass jene Eltern ihre Kinder in diese Kindergärten geben, die das befürworten."

Aus dem Büro von Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) heißt es auf Anfrage, dass man die Resultate der Untersuchung des Instituts für islamische Studien der Uni Wien unter der Leitung von Ednan Aslan bisher nicht vorliegen habe. Grundsätzlich wird betont: "Wir schauen nicht weg, sondern werden jedem konkreten Vorwurf nachgehen. Dabei werden wir überprüfen, ob die jetzigen Kontrollmöglichkeiten ausreichen."

Kurz (ÖVP) trifft Wehsely und Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger, um das Thema zu besprechen. Auch Wissenschaftler Aslan wird dabei sein, teilte Kurz' Sprecher mit. Man brauche die Kooperation der Stadt Wien "für eine flächendeckende Begutachtung und Kontrolle der islamischen Kindergärten", betonte der Sprecher des Ministers. Ziel sei es, dass Aslan mit seinem Team umfassenden Zugang erhält, damit er eine umfassende Studie erstellen könne.

Jährliche Kontrollbesuche

Prinzipiell verzeichnete die MA 11 seit Jahresbeginn bis Ende September 1.933 Kontrollbesuche – ohne Neubewilligungsbegehungen in Kindergärten. Sieben Behördenmitarbeiter übernehmen diese Aufgabe, wobei eine Person ausschließlich bezüglich Einhaltung des Bildungsplans im letzten verpflichtenden Kindergartenjahr befasst ist. Kindergärten und Gruppen, egal ob städtisch oder privat, werden mindestens einmal pro Jahr unter die Lupe genommen. Das geht vom pädagogischen Konzept über die Sicherheitsauflagen – etwa versperrbare Fenster – bis hin zum Angebot an Spielsachen und zur Kontrolle, ob wirklich jenes Personal dort arbeitet, das angegeben ist. "Eine Überprüfung dauert mehrere Stunden. Wir gehen mit einem sehr kritischen Auge durch die Kindergärten", versicherte Staffa.

Auch Nachprüfungen möglich

Zusätzlich geht man "Auffälligkeiten oder Beschwerden" sofort nach. "Wenn Mängel im baulichen, sicherheitstechnischen oder pädagogischen Bereich klar werden, schauen wir uns an, was und wie man das beheben muss", so Staffa. Später gebe es eine Nachprüfung, ob die Schritte auch umgesetzt wurden.

Will man eine Betreuungseinrichtung neu eröffnen, müssen mehrere Auflagen erfüllt werden. "Für eine Bewilligung maßgebend sind insbesondere das pädagogische/organisatorische Konzept, die erforderlichen Fachkräfte, die Berücksichtigung der Höchstzahl von Kindern in den einzelnen Gruppenformen, die Lage, die Größe, die Anzahl und die Ausstattung der Räume, die Anzahl und Art der sanitären Anlagen für die unterschiedlichen Gruppen", heißt es dazu auf der Website der MA 11. Bis zum Bescheid dauert es bis zu sechs Monate.

Kritik der islamischen Glaubensgemeinschaft

Die Islamische Glaubensgemeinschaft zeigte sich am Montag angesichts einer Untersuchung im Auftrag des Integrationsministeriums enttäuscht, dass muslimische Kindergärten extra untersucht werden. In einem demokratischen Land dürfe man die Bürger nicht nach Glauben qualifizieren, das sei "undemokratisch und auch unmenschlich", sagte IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac im Ö1-"Mittagsjournal".

Für alle Kindergärten würden dieselben Gesetze gelten, betonte Sanac. Die Stadt Wien erteile nach einer Prüfung die Genehmigung und kontrolliere die Einrichtungen. In den Kindergärten, die er besucht habe, werde grundsätzlich Deutsch gesprochen, so Sanac, außer es gehe beispielsweise um Tischgebete oder bestimmte Begriffe aus dem Koran. Den Vorwurf, dass einige Kindergärten einen salafistischen Hintergrund hätten, nannte er lächerlich. (APA, 7.12.2015)