Sybille Krämer (Hg.)
Ada Lovelace
Die Pionierin der Computertechnik und ihre Nachfolgerinnen
Wilhelm-Fink-Verlag 2015
221 Seiten, 19,90 Euro

Foto: Willhelm Fink Verlag

Am 10. Dezember jährt sich zum 200. Mal ihr Geburtstag. Dieses Jubiläum ist einmal mehr Anlass, die Leistungen von Augusta Ada Byron, später Ada Lovelace, ins Rampenlicht zu holen. 1815 wurde sie in London als einzige eheliche Tochter des romantischen Dichters Lord Byron und der britischen Aristokratin Anne Isabella Milbanke geboren. Die Mutter förderte ihre mathematische Begabung stark, nicht zuletzt um die Tochter von der Literatur fernzuhalten. Ihre Übersetzung eines Vortrags über einen nie gebauten Computer – die von Charles Babbage entworfene Analytical Engine – ergänzte Ada Lovelace 1843 um eine komplexe Berechnungsanweisung, die ihr späte Ehren als "erste Programmiererin" einbrachte und sie zur weiblichen Symbolfigur der Informatik machte.

Mit dem nun vorliegenden Band "Ada Lovelace. Die Pionierin der Computertechnik und ihre Nachfolgerinnen" will Herausgeberin Sybille Krämer aber über die bloße biografische Würdigung dieser außergewöhnlichen Frau hinausweisen. Sie möchte beispielhaft am Leben der Ada Lovelace ein Muster vorführen, mit dem Frauen in der Technik- und Computergeschichte immer wieder zu tun haben: dem der Marginalisierung, das nicht nur Lovelace, sondern auch Computerpionierinnen im 20. Jahrhundert widerfahren ist. Immer wieder würden Frauen, so die Herausgeberin, auf die "weiche Seite der Computertechnik" gestellt oder stellten sich selbst dorthin. Die Bereiche Codierung, Sprache und Übersetzung, also "Soft"-Ware im Unterschied zur Hardware, seien gut mit der Idee von der "Frau als Vermittlerin" in Einklang zu bringen. Dieses Phänomen beleuchtet das Buch in 15 Kapiteln sowohl historisch als auch systematisch.

Die Möglichkeit einer Maschine

Der erste Teil des Sammelbands kreist um die Person Ada Lovelace und versucht eine Einordnung ihres Werks. Besonders wertvoll erscheint dabei Krämers Erklärung, was Programmieren im heutigen Sinn meint. Eine Begriffsklärung also, die auch für Laien verständlich macht, was der Unterschied zwischen Algorithmus und Programm ist und warum Lovelaces Programm zur Berechnung der Bernoulli-Zahlen ihrer Zeit weit voraus war: Sie erkannte schon damals die Möglichkeit einer Maschine, die allgemeine Symbole verarbeiten kann, also zum Beispiel in der Lage wäre, Musik zu komponieren, die ja auf der Relation verschiedener Töne zueinander beruht, wie Jens Schröter in seinem Beitrag ausführt. Marie-Luise Angerer erzählt in der Folge Lovelaces Geschichte bis zur cyberfeministischen Bewegung der 1990er-Jahre weiter.

Im zweiten Teil des Buches geht es um rechnende Frauen, Gender und Digitalisierung in einem weiter gefassten Feld: So erklärt Janet Abbate die Rolle der Frauen in der frühen Computerindustrie im Zweiten Weltkrieg. Am Beispiel des Eniac (Electronic Numerical Integrator And Computer), der intensive Berechnungsaufgaben für Kriegszwecke erfüllte und konkret Flugbahnen errechnete, zeigt sie, dass es fast ausschließlich Frauen waren, die den Betrieb und die Programmierung sicherstellten. Die Männer waren im Krieg, also wurden die Arbeitskraft von Frauen dringend gebraucht, und sie wurden in diesem noch dazu völlig neuen, also "unbesetzten" Berufsfeld gerne eingesetzt.

Der feine Unterschied

Tanja Paulitz arbeitet in ihrem Beitrag eine beeindruckende kultursoziologische Perspektive auf den "feinen Unterschied" zwischen den Geschlechtern in Naturwissenschaft und Technik heraus. Der Marginalisierung von Frauen sei auch deswegen so schwer beizukommen, weil es "kein inhaltlich durchgängiges Exklusionsmuster" gebe.

Im abschließenden dritten Teil geht es um allgemeine Tendenzen der Digitalisierung: Robotik, Big Data, Industrie 4.0, Internet of Things, Exkurs auf die Medienkunst, alles da. Diesem durchwegs sehr lesenswerten Teil, der einen guten Überblick über die aktuellen Entwicklungen gewährt, fehlt aber die prägnant feministische Perspektive der ersten beiden Teile. So fällt das Buch an dieser Stelle etwas auseinander, was vielleicht mit seiner Genese zu tun hat: Es entstand anlässlich der Sonderausstellung "Am Anfang war Ada. Frauen in der Computergeschichte", die noch bis Juli 2016 im Heinz-Nixdorf-Museumsforum im deutschen Paderborn zu sehen ist. (Tanja Paar, 8.12.2015)